Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
ihm nicht kannte. Langsam richtete er sich auf.
    „Danilo ... hat es dir erzählt?“, fragte er mit einem gefährlich ruhigen Unterton.
    „Er sagte mir nur, dass die Vuković-Männer verflucht sind. Den Rest habe ich mir zusammengereimt.“
    Simeon warf einen gehetzten Blick auf den verhüllten Toten. Ich wusste, dass die Seele meines Schwiegervaters noch hier war und er jedes Wort hören konnte. Daher wehrte ich mich auch nicht, als Simeon mich am Arm nahm und durch die Tür bis auf den Flur schob.
    „Was hast du dir zusammengereimt?“, zischte er.
    Dort, wo wir den Toten im Blick hatten, aber von ihm ungehört sprechen konnten, erzählte ich von den Pferden und Marjas Gegenwart. „Wer hat den Fluch gesprochen?“, wisperte ich. „Hat Jovan Marja getötet? Sucht sie ihn heim, um sich zu rächen?“
    „Nein!“ Simeon schüttelte entsetzt den Kopf. „Nie hätte Jovan ihr ein Haar gekrümmt!“
    „Aber was ist dann geschehen?“
    Simeon gab keine Antwort. Ich konnte beinahe fühlen, wie er sich mir entzog. Gleich würde er sich abwenden und mich in der Ratlosigkeit zurücklassen, die ich keinen Augenblick länger ertrug.
    „Sag es mir!“, beharrte ich, doch er starrte stumm vor sich hin. Bevor er wieder durch die Tür treten konnte, sprang ich vor und grub meine Finger in seine Schultern.
    „Wenn du es mir nicht sagst, dann ... schwöre ich bei allen Ikonen und bei der Heiligen Muttergottes, dass ich das Gut noch vor der Beerdigung verlasse. Ich meine es ernst, Simeon!“
    Ich konnte nur hoffen, dass Jovan meine geflüsterte Drohung nicht gehört hatte. Sie war so ungeheuerlich, als hätte ich dem Toten mit lauter Stimme meine Verachtung ausgesprochen. Eine Beerdigung, der die Familie mutwillig fernblieb, war schlimmer als ein Fluch. Simeon erstarrte. Dann schnappte er meine Handgelenke so schnell, dass ich vor Schreck aufkeuchte. Ich dachte, er würde mir wehtun, aber er zog mich zurück in die Türkenkammer. Direkt zu dem verhüllten Körper!
    „Was machst du da?“, flüsterte ich ängstlich, als Simeon sich neben Jovan auf den Boden kniete und auch mich dazu zwang.
    Mit einem Mal war mir der Gefährte meines Schwiegervaters völlig fremd – wild und grimmig, ein Krieger, der schon zu viel Leid erlebt hatte.
    „Vor vielen Jahren habe ich dir einen Eid geschworen, es keiner lebenden Seele zu sagen“, wandte er sich mit gebrochener Stimme an den Toten. „Aber nun ist wohl der Zeitpunkt gekommen, in dem ich davon sprechen darf – hier, vor dir, Jovan.“ Simeon bekreuzigte sich. Ohne den Blick von dem Verstorbenen zu wenden, sagte er mir: „Überlege dir gut, Jasna, ob du Dinge wissen möchtest, die dich dein Leben lang verfolgen werden. Aber wenn du wirklich willst, dass ich rede, nimm Jovans Hand und schwöre bei deiner Seele und deinem Leben, dass du das Geheimnis hütest und es niemandem erzählst – nicht jetzt, nicht in Zukunft und auch nicht auf deinem eigenen Totenbett.“
    Ein Teil von mir wollte aufspringen und davonlaufen. Doch der andere Teil dachte daran, dass nichts schlimmer war als die Ungewissheit. Verstohlen tastete ich nach Dušans Messer, das ich unter dem Gürtelband verborgen hatte. Es bei mir zu wissen, gab mir Mut. Langsam nickte ich.
    Simeon schlug das Laken zurück. Die Härchen an meinem Arm stellten sich auf, als ich meine Hand auf Jovans kalte Rechte legte. „Ich ... schwöre“, sagte ich.
    Simeon seufzte. „Verzeih mir, Freund“, murmelte er. Dann wandte er sich zu mir um. „Jovan musste leiden, weil er mir das Leben gerettet hat. Siehst du das hier?“
    Er hob das Kinn und fuhr mit dem Zeigefinger die verblasste Narbe an seiner Kehle nach. „Ich hatte Jovan auf seinen Handelsreisen begleitet. Wir waren von Edirne aus nach Istanbul gereist. Dort waren wir gerade zwei Monate, als das Unglück geschah. Ich bekam Streit mit einem wirklich üblen Kerl. Ein Beamter. Er war ständig in Geldnöten, denn er war dem Glücksspiel verfallen, obwohl seine Religion es ihm verbot. Und eines Abends kam er zu unserem Quartier und behauptete, ihm seien Schmuck und Geld abhanden gekommen. Und weil wir Fremde und Christen waren, verdächtigte er uns, ihn bestohlen zu haben. Er drohte mir, ich wies jeden Verdacht zurück. Ich weiß nicht mehr, was ich zu ihm sagte, vielleicht habe ich ihn tatsächlich beleidigt. Oder ich nahm seinen Zorn einfach nicht ernst genug. Jedenfalls wandte ich mich von ihm ab – und das Nächste, was ich spürte, war das Messer an meiner Kehle.“ Simeons

Weitere Kostenlose Bücher