Totenbraut (German Edition)
hast.“
„Vielleicht“, antwortete er ernst. Unwillkürlich fröstelte ich. Die Stille, die uns nun umgab, war dicht und dunkel. Nur in der Ferne konnte man das Rauschen des Baches erahnen.
„Vielleicht hat es mit dem Pferdeblut aber auch etwas ganz anderes auf sich“, sagte Dušan nach einer Weile. „Vielleicht trinkt euer Hausherr es tatsächlich – um sich vor einem Fluch zu schützen. Der junge Hajduk war während seines Militärdienstes von einem Vampir geplagt worden. Um ihm zu entgehen, hatte er von dessen Grab Erde gegessen und sich mit dem Blut des Vampirs eingerieben. Geholfen hat es dem armen Kerl jedoch nicht. Nach seinem Tod stand er ebenfalls aus dem Grab auf.“
„Dann hat Jovan also Angst, zum Vampir zu werden“, flüsterte ich. „Und die Pferde sollen ihn schützen?“
„Schwarze Pferde sind in der Lage, Vampirgräber zu finden“, spann Dušan den Gedanken weiter. „Vielleicht hat auch ihr Blut besondere Kräfte.“
Es klang so erschreckend schlüssig, dass ich schauderte. Ich hatte mich oft gefragt, warum Jovan nur schwarze Pferde auf seinem Hof duldete. Der Teufel holt auf , hörte ich seine angsterfüllten Worte im Stall. Und ich sah, wie Nema auf meine Frage, wer das Blut trinke, Jovans weiße Strähne mit dem Zeigefinger nachzeichnete. Mein Schwiegervater lebte also in Todesangst.
„He, genug der Schauergeschichten“, raunte Dušan. Es sollte wohl munter klingen, aber ich hörte deutlich, wie unbehaglich ihm zumute war. „Komm, ich erzähle dir eine Geschichte, die dich auf andere Gedanken bringen wird. Weißt du, an wen ich denke, wenn ich meine Furcht besiegen möchte?“
„An Ružicas Honiglippen?“
„Au! Da sticht sie mich wieder, die Distel! Nein, an König Matjaž. In meiner Heimat rühmt man seine Heldentaten. Oh, hätte ich gerne ein Pferd wie er! Seines kann nämlich sprechen wie ein Mensch. Nun, Kralj Matjaž hatte ein Mädchen, das er liebte. Und als er Alenka heiratete, gab es ein prächtiges Fest.“ Jetzt war ich froh, dass es so finster war, denn sicher hätte Dušan mir angesehen, dass mich die Erinnerung an meine eigene Hochzeit und an den heutigen Tag traurig stimmte. „Am Morgen nach seiner Hochzeitsnacht wird Kralj Matjaž zum Kampf gegen die Türken gerufen. Natürlich springt er sofort auf – doch zum Schutz lässt er seiner jungen Frau das Pferd da. Nun, dem Sultan gelingt es, Alenka gefangen zu nehmen, das treue Pferd aber flieht geradewegs zu Matjaž und berichtet ihm, dass der Sultan vorhabe, Alenka zu seiner Braut zu machen. Da hättest du Kralj Matjaž sehen sollen! Er verkleidet sich als Türke und wagt sich unerschrocken in das Lager der Feinde. Mitten auf dem Fest bittet er den Sultan um die Gunst, mit seiner Braut tanzen zu dürfen. Der Sultan erlaubt es ihm. Und Alenka, die Matjaž an seinem Ring erkennt, lässt sich zum Tanz führen.“ Dušan kam näher zum Turm. „ Enkrat naprej, enkrat nazaj kralj Matjaž si izbira raj “, sang er leise in der fremden Sprache seines Heimatortes. „ Eins vor und eins zurück. Die zwei tanzen und tanzen vom Feuer weg, weiter und weiter und keiner bemerkt, dass sie schon bei den Pferden sind. Und ehe die Türken wissen, was geschieht, hat Matjaž seine Braut schon in den Sattel gehoben, springt hinter ihr auf und entführt sie mitten aus dem Feindeslager.“
Ich ertappte mich dabei, wie ich lächeln musste.
„Wie ist es mit dir, Jasna?“, fragte Dušan. „Würdest du deinem Mann folgen, wenn er dich den Entführern entreißen wollte?“
Diese Frage fühlte sich an wie eine Ohrfeige, die mein Lächeln zerschlug und mich aus einem Traum weckte.
„Das geht dich nichts an, Dušan!“
„Und wenn es ... ein anderer wäre, der dich fortbringen wollte?“, flüsterte er mir zu. Ich nahm hastig die Hand vom Fensterbrett, als wäre es glühend heiß. Für einige Herzschläge lang schloss ich die Augen. Ich sah, wie ich mit Dušan die Türme weit hinter mir ließ und wie Šarac in großen Sprüngen zum Fluss galoppierte. Der Wind duftete nach wilden Veilchen, die Nachtluft schmeckte nach Mond und Sommer. Doch dann kamen wir bei der Flößerhütte an. Und ich sprang vom Pferd und trat in dieses Haus ein, das in Wirklichkeit nichts anderes war als ein neuer Turm, in dem eine andere, verstörende Hochzeitsnacht auf mich wartete.
„Geh“, sagte ich mit heiserer Stimme. „Bevor Simeon dich doch noch hört.“
Dann zog ich die Läden zu und schob den Riegel vor.
Bis der Morgen das schwarze Tuch der
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