Totenbraut (German Edition)
Jovans Tod ist der Fluch erloschen.“
Ich hätte gut daran getan, Simeon an jenem Tag ebenfalls einen Eid auf seine Worte schwören zu lassen. Aber die begabtesten Lügner sind stets die, die es verstehen, nicht nur unser Mitgefühl zu wecken, sondern auch unsere Ängste zu entfachen.
„Für Jovan ist es noch nicht vorbei“, widersprach ich heftig. „Erst muss er von einem Priester unter die Erde gebracht werden.“
„Ich weiß“, murmelte Simeon. „Ich reite heute noch nach Paraćin und hole den Popen. Du musst bei dem Leichnam bleiben und darauf achten, dass keine Fliege über ihn hin wegfliegt und kein Tier in die Kammer kommt.“
Beim Gedanken, mit Jovan allein zu bleiben, wurde mir flau im Magen. Und plötzlich war auch der Verdacht wieder da, der mein Herz schneller schlagen ließ. Danilo hatte allen Grund, seinen Vater zu hassen ...
„So viel Zeit haben wir nicht“, erwiderte ich laut. „Ich werde ins Dorf reiten und Milutin bitten herzukommen.“
Simeon schüttelte den Kopf. „Er wird sich weigern. Das weißt du so gut wie ich.“
„Wenn einer von euch an seine Tür klopft, vielleicht“, sagte ich mit fester Stimme. „Aber ich kenne die Leute aus dem Dorf, ich werde sie überzeugen. Ich werde, ich muss es schaffen, dass er mir zuhört!“
In Simeons Gegenwart war es mir gelungen, bestimmt und zuversichtlich zu klingen, aber mit jedem Galoppsprung sank mein Mut etwas mehr. Als ich beim Dorf ankam, war ich verzagt und überlegte, ob ich nicht gleich wieder umkehren sollte. Ich war darauf vorbereitet, dass alle bereits über Jovans Tod Bescheid wussten. Insgeheim wappnete ich mich gegen das Misstrauen. Aber statt verschlossener Türen und Gesichter bekam ich ein unerwartetes Geschenk: Sobald sie mich herankommen sahen, eilten die Frauen mir entgegen. Sogar die Frau des Dorfältesten, die ledergesichtige, weißhaarige Dajana, die in all den Wochen kein einziges Wort mit mir gewechselt hatte, kam auf mich zu. „Warum trägst du keine Trauerkleidung?“, rief sie verwundert aus. Ich errötete und stotterte, dass alles zu schnell gegangen sei und ich nicht daran gedacht hätte.
Branka nahm, ohne zu zögern, ihr schwarzes Tuch ab und legte es mir über mein rotweißes Kopftuch. „Das wird für jetzt genügen“, sagte sie mitfühlend. „Los, nimm ihr einer die Zügel ab! Ihr seht doch, dass sie verstört und völlig außer sich ist.“
„Das ist aber eines der Teufelspferde“, murmelte Zvonka, die junge Frau des Opankenmachers, ängstlich.
„Scht! Halt den Mund, du dürres Elend!“, zischte ihre Schwester Olja und stieß ihr grob den Ellenbogen in die Seite. „Hör nicht auf sie“, wandte sie sich dann an mich. „Seit sie vom Heuwagen gefallen ist, ist sie nicht mehr ganz richtig im Kopf.“
Es war Branka, die schließlich beherzt zu Vetar trat und mir die Zügel aus der Hand nahm.
Als hätte das den Bann gebrochen, umringten mich plötzlich alle Frauen und redeten gleichzeitig auf mich ein.
„Die Hirten sagten, dass die Stalltür heute Morgen mit einer Teufelsfratze beschmiert war und die Pferde wie besessen im Stall ausschlugen“, sagte Zvonka und bekreuzigte sich.
„Wie sehr musst du dich gefürchtet haben, du Arme!“, setzte Olja hinzu, bevor ich auch nur den Mund aufmachen konnte.
„So ein Unglück, ein so plötzlicher Tod!“ Stana tätschelte meinen Arm.
„Wir werden für Vukovićs Seele beten“, versprachen mir andere.
Noch nie hatten die Frauen so mit mir gesprochen. Sie strichen mir tröstend über die Wange und bedauerten Jovans Tod, als wäre einer von den Dorfbewohnern gestorben. Gestern noch war ich auf jede einzelne von ihnen zornig gewesen, weil keine mir etwas von Anica und Danilo gesagt hatte. Nun aber tat mir ihre überraschende Anteilnahme unendlich wohl.
Sie begleiteten mich zur Werkstatt von Šime, dem Zimmermann, und warteten geduldig, bis ich den Preis für einen Sarg verhandelt hatte. Sie waren sogar so höflich, mit keinem Wort zu erwähnen, dass dies Danilos Aufgabe gewesen wäre.
„Und vergiss nicht, Šime zu sagen, dass er einen Beutel mit Hobelspänen in den Sarg legen soll“, riet mir Dajana. „Die werdet ihr brauchen, wenn der Leichnam zurechtgemacht wird.“
Ich befolgte ihren Rat, obwohl ich nicht wusste, was es damit auf sich hatte. Kaum trat ich vor die Tür der Werkstatt, prasselten wieder von allen Seiten Ratschläge auf mich ein. Erst als ich zum Haus des Popen ging, wurden meine Begleiterinnen abermals still. Ich
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