Totenbraut (German Edition)
der Gemeinschaft“, sagte ich und sah erst Milutin und dann Pandor in die Augen. „Nur um ein Gebet, um meinem Schwiegervater und uns allen Frieden zu geben.“
Pandor betrachtete mich lange. Ich bemerkte, dass seine Wangen narbig waren und rot vom vielen Wein. Schließlich nahm er die Pfeife aus dem Mund und wandte sich an Milutin. „Gib ihr, was sie will“, sagte er mit seiner vom Rauch heiseren Stimme. „Sie hat Recht. Wenn Vuković Blut und Leben saugen will, geht es uns alle an.“
Vor Erleichterung hätte ich am liebsten geweint. Branka trat vor aller Augen zu mir und legte mir den Arm um die Schultern. „Gut gesprochen, Jasna“, flüsterte sie mir zu.
„Wir wissen alle, wie es damals war, als Goran das Dorf heimsuchte“, sagte Pandor zu den Umstehenden. „Beinahe hätte er das Dorf verseucht. Wir sind alle nur deshalb dem Tod entronnen, weil wir ihn rechtzeitig vernichtet haben. Und wir werden nie wieder zulassen, dass ein Vampir unsere Dorfgemeinschaft in Gefahr bringt. Milutin?“
Nun starrten alle den Priester an. Eben war sein Gesicht noch rot vor Zorn gewesen, nun aber sah er plötzlich genauso müde und blass aus, wie ich mich fühlte. Er schien mit sich zu ringen. Dann hob er ruckartig den Kopf und schoss mir einen zornigen Blick zu.
„Kennst du die sieben Mysterien unseres Glaubens?“ „Es ist auch mein Glaube“, gab ich gekränkt zurück. „Komm mir nicht mit frechen Antworten, Jasna Vuković!
Wenn du einen Segen willst, beantworte mir meine Frage!“ Ich zuckte zusammen. Und obwohl mir eine empörte Antwort auf der Zunge lag, zählte ich die Sakramente gehorsam auf: „Taufe, Myronsalbung, Eucharistie mit Kommunion, Sündenvergebung, Handauflegung, Ehekrönung, Kran kensalbung.“
„Welche Feiertage begehen wir im Herbstmonat und im Weinmonat?“
„Tag der Schöpfung, Geburt der Gottesmutter, Kreuzerhöhung. Und die Feiertage des Apostels Jakobus und des Heiligen Dimitrios.“
Es war totenstill, während ich diese Prüfung ablegte. Doch zu meiner unendlichen Erleichterung nickte Milutin, als müsste er sich nach einer langen Schlacht geschlagen geben. Es war der erste und einzige Sieg, den ich jemals im Kampf mit ihm errang.
„Weihrauch“, murmelte er. „Warte hier.“
Asche zu Asche
D
ie Rufe der Klagefrauen und Gebete hätten mich im Türkenzimmer empfangen müssen, aber als ich eintrat, umfing mich lediglich eine gespenstische Stille. Es roch nach Knoblauch, was mich einen Augenblick lang verwunderte. Wie konnte Nema das zulassen? Simeon und Danilo saßen vornübergebeugt neben dem Tisch, der als Totenbett diente. Beide hatten die Ellenbogen auf die Knie gestützt und die Hände im Haar vergraben, was sie einander seltsam ähnlich machte. Es kostete mich viel Mut, den bleichen Fremden anzusehen, der in seinen besten Kleidern auf Stroh gebettet lag. Inzwischen hatte Jovans Miene eine tiefe Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben angenommen, nur auf seinem gespannten Mund fand sich noch ein Abglanz irdischer Sorge. Kerzen brannten an den vier Ecken des Tisches, Münzen lagen auf den Lidern des Toten. Ein schwarzes Band um den Kopf verbarg die Wunde. Die weiße Haarsträhne, die über einer Schläfe lag, hob sich von seinem dunklen Haar und dem Stoffband ab.
„Ich habe den Weihrauch mitgebracht.“ Mein Flüstern erschien mir laut wie Donnerhall. Danilo und Simeon hoben ruckartig den Kopf. Die Züge meines Mannes waren bleich und wächsern, aber er wirkte gefasst. „Manko bringt morgen den Sarg“, ergänzte ich noch leiser. „Und ... Milutin wird ihn aussegnen.“
Danilos Augen weiteten sich vor Überraschung. „Das ist dir gelungen?“, fragte er ungläubig.
„Jovan und ich, wir danken dir“, murmelte Simeon nur. Dann sank er wieder in sich zusammen und rieb sich mit den Handballen die Augen. Verlegen wandte ich den Blick ab. Erst jetzt fiel mir auf, dass Danilo immer noch seine Reisekleidung trug. Sie war voller Staub und getrockneter Schlamm klebte daran. Und an der Schulter entdeckte ich einen Riss im Hemd, als hätte ihn jemand dort gepackt.
Leise nahm ich mir einen Stuhl und setzte mich neben ihn. „Wo bist du die ganze Zeit gewesen?“, flüsterte ich. „Warum warst du nicht bei ihm?“
Offenbar hörte er den Vorwurf hinter meiner Frage nur zu gut heraus, denn er sah mich nicht an. „Ich habe ihn aus den Augen verloren“, antwortete er mit erstickter Stimme. „Jemand glaubte die gestohlenen Pferde gesehen zu haben, südwärts. In der
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