Totenbraut (German Edition)
ihm auch kein Messer ins Herz, um ihn zu erlösen. Stattdessen verteilte der Totengräber Manko Hobelspäne im Sarg, brannte sie zusammen mit Knoblauch ab und rieb mit der Asche den Sarg aus. Simeon half ihm, Jovan zu betten, und band dem Toten die Beine zusammen. Schließlich legte er ihm eine Knoblauchzehe in den Mund und eine Sichel über die Kehle. Sollte Jovan versuchen aus dem Grab aufzustehen, würde er sich selbst den Kopf abschneiden. Milutin wartete draußen auf dem Hof, da ein Priester kein Sterbehaus betreten durfte. Er und die Männer meiner Hausgemeinschaft redeten nur das Allernötigste miteinander. Die Luft flirrte von der Feindseligkeit vieler Jahre, aber kein böses Wort fiel. Es tröstete mich, dass die alten Feindschaften zumindest für den Augenblick zu Ehren des Toten ruhten. Als ich den Blick hob, erhaschte ich für einen Wimpernschlag Nemas trauriges, fahles Gesicht hinter einem der Fenster, doch gleich darauf verschwand es wieder.
Milutin besprengte den Leichnam mit Wein und Öl und segnete ihn aus. Dann trugen Simeon und Danilo den Sarg auf allerlei Umwegen zum Grabplatz, damit der Tote den Rückweg nicht finden konnte. Danilo hatte eine Stelle zwischen Wacholderbüschen als letzte Ruhestatt ausgewählt – ein ganzes Stück vom Schwarzen Turm entfernt.
Zu meiner Überraschung wartete auf der Anhöhe eine Trauergemeinde neben dem ausgehobenen Grab. Darunter die Gehilfen und einige Vertreter des Militärs – die Hajduken, mit denen Jovan zu Lebzeiten Geschäfte gemacht hatte, und ihre Frauen. Sogar der ungarische Hadnack war gekommen. Und natürlich die Dörfler. Ich suchte Anicas Gesicht in der Menge, aber sie hielt sich der Beerdigung fern. Auch Dušan war nicht gekommen und ich schämte mich fast dafür, wie enttäuscht ich war, ihn nicht zu sehen. Dajana war unter den Beerdigungsgästen, Pandur, der sich auf seinen Stock stützte, außerdem die Schwestern Zvonka und Olja und andere. Auch die schöne Ružica stand in einer der hinteren Reihen und reckte ihren langen Hals, um besser sehen zu können. Jeder der Dorfbewohner hatte einen weißen Stein in der Hand oder neben sich auf den Boden gelegt.
Nach einem kurzen Totengebet sprachen alle zusammen das Amen und Milutin ging ohne ein weiteres Wort hangabwärts in Richtung Dorf. Eine unangenehme Stille senkte sich über die Anhöhe. Simeon kniete nieder und legte Jovan als Ablöse für das zurückgelassene Vermögen zwei Münzen in das Grab. Danilo schenkte seinem Vater einen Steigbügel und eine Strähne von der Mähne seines Hengstes. Ich stellte Jovan Kerzen neben das schwarze Grabkreuz, die ihm Licht auf seinem Weg geben sollten, und Speisen, die ihm Nahrung sein würden.
Schließlich schaufelten Danilo und Simeon das Grab zu, während ich verstohlen die kleine Trauergemeinde beobachtete – niemand gab eine Regung preis. Wie viele der Anwesenden mochten sich insgeheim über Jovans Tod freuen? Ich rief mir Belas Warnung ins Gedächtnis und versuchte mir vorzustellen, was – oder wen? – sie mit der Dunkelheit gemeint haben könnte. Wieder kam mir Nemas Gesicht in den Sinn, zur Fratze verzerrt, als ich mich im Stall mit ihr gestritten hatte. Es könnte jeder sein , dachte ich bei mir, aber der Gedanke war noch zu ungeheuerlich, als dass ich ihn hätte weiterspinnen können.
Sobald die letzte Schaufel Erde ihren Platz gefunden hatte, legte jeder Dorfbewohner Steine und schwere Brocken aufs Grab, das Gewicht sollte Jovan daran hindern, aus der Erde zu kommen. Zum Abschluss stieß Simeon ein Messer in den Boden und sagte: „ Naručeno ti je, da se ne krećeš s tvojega mesta, dobio si sve za tvoje zadovoljstvo – Es wird dir aufgetragen, dass du dich nicht von deinem Platz rührst, du hast alles erhalten, was du zu deiner Zufriedenheit brauchst .“
„Amen“, murmelten die Dorfbewohner noch einmal und machten sich schnell davon. Ružicas Rock flatterte, so schnell hastete sie die Anhöhe hinunter. Und auch die anderen Frauen sprachen uns nicht einmal mehr ihr Beileid aus, sondern eilten davon, als wären sie erleichtert, einem Unheil entronnen zu sein, und wollten sich nun in die vertraute Sicherheit des Dorfes flüchten.
Simeon wandte sich brüsk ab und stapfte mit hochgezogenen Schultern zu den Türmen zurück. Danilo wartete noch, bis ich den Krug Wasser neben dem Grab ausgeschüttet hatte, dann gingen wir Seite an Seite bergab und am Schwarzen Turm vorbei zurück auf das verwaiste Gut, wo ich schon das Essen vorbereitet
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