Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
spürte ich nussgroße Eiskörner unter meinen Fußsohlen und wäre beinahe ausgerutscht. Ein Hagelsturm, so früh im Jahr! Im Mondlicht konnte ich nicht einmal den Waldrand erkennen, die rauschende Wand aus weißen Körnern verwehrte mir die Sicht. Als es mir endlich gelang, die Läden zu schließen, war ich schon völlig durchnässt und so durchgefroren, dass ich meine Finger kaum mehr spürte. Frierend kletterte ich hinunter in die Stube. Auch hier unten klapperten die Fensterläden, als würden unsichtbare Hände daran rütteln, aber keines der Fenster hatte sich geöffnet. Danio schlief im Jelena-Turm, aber ich machte mir Sorgen um Sivac. Ich schlüpfte schon in meine Opanken, um ihn hereinzuholen, als ein dumpfer Schlag gegen das Fenster mich hochfahren ließ. Es klang, als hätte jemand einen Stein gegen die Läden geworfen. Nun, ein Pfeifen würde ich bei dem Sturm auch kaum hören können. Warum kommt er jetzt hierher?, dachte ich. Warum bei diesem Sturm? Und trotzdem war die Sehnsucht aus meinem Traum noch so lebendig, dass ich einfach zum Fenster rannte und die Läden entriegelte. Auch hier fegten mir die Hagelkörner sofort ins Gesicht und ich schützte die Augen mit der Hand und blinzelte. Ein Stück vom Turm entfernt glaubte ich tatsächlich einen dunklen Umriss zu erkennen, eine geduckte Gestalt.
    „Dušan?“, rief ich in den Hagel hinaus. Doch niemand antwortete und der Vorhang aus Eis und Wasser schloss sich vor meinen Augen. Als ich den Laden mit klammen Fingern wieder schließen wollte, überzeugt, mich geirrt zu haben, fuhr mir ein Spreißel in den Finger. Am nassen Fensterladen ertastete ich eine gesplitterte Stelle.
     

     
    Über Nacht schien es Winter geworden zu sein, morgens war die Weide immer noch weiß vom Hagel, der nur langsam schmolz. Danilo hatte nasses Haar und einen Kratzer auf der Stirn. In der Sturmnacht war er vom Jelena-Turm in den Stall gelaufen und hatte versucht, die verängstigten Pferde zu beruhigen. Eines hatte sich losgerissen und ihn gegen die Tür gestoßen.
    „Das hat uns gerade noch gefehlt“, knurrte Simeon und betrachtete die Zerstörung ringsum. Das Dach des Stalls war beschädigt, mein Kräutergarten und alle Weinreben am Hang vernichtet. Und die reifenden Früchte an den Obstbäumen waren mit den Zweigen heruntergeschlagen worden. Es tat weh, die geschundenen Bäume zu betrachten.
    „Es hilft nichts, wir müssen das Dach sofort richten“, bestimmte Danilo. „Wer weiß, ob das der letzte Sturm war. Der Himmel sieht nach Regen aus. Jasna, kümmere du dich um die Pferde und füttere die drei Ungarstuten gut. Ich muss sie heute Nachmittag zum Regiment bringen. Das Geld werden wir jetzt nötiger denn je brauchen.“
    „Wir müssen erst zum Grab“, wandte ich ein.
    „Das hat Zeit“, entschied Danio. „Erst das Dach und die Pferde.“
    Meine Ziegen drückten sich verängstigt in die Ecke ihres Verschlags und auch die Pferde legten die Ohren an, als ich mich ihnen näherte. Ich sah mich immer wieder nach Nema um, konnte sie jedoch nirgendwo entdecken. Möglicherweise würde sie den ganzen Tag in ihrer Kammer bleiben und erst am Abend wie ein Geist in der Stube erscheinen.
    Sobald die Arbeit getan war, lief ich auf die Weide und suchte nach Spuren, doch der Sturm und die schmelzenden Hagelkörner hatten die Wiese in einen Sumpf verwandelt. Ob Hufabdrücke, Hagelpfützen oder Fußspuren – es war nicht mehr zu unterscheiden. Als ich schon umkehren wollte, fiel mein Blick auf etwas Helles, das viel zu groß und kantig für ein Hagelkorn war. Mit einem flauen Gefühl im Magen hob ich den Stein auf und wog ihn prüfend in der Hand. Kein Zweifel. Es musste der Stein sein, der gegen das Fenster geflogen war! Die Spitze passte zu der gesplitterten Stelle und sogar etwas dunkle Farbe vom Fensterladen hing daran. Heute Nacht war also tatsächlich jemand hier gewesen. Und zwar niemand, der nur anklopfen wollte. Der Stein war mit solcher Wucht geworfen worden, als hätte jemand versucht, den Fensterladen zu zertrümmern. Und noch etwas jagte mir Angst ein: Dieser weiße Stein glich den Brocken, mit denen Jovans Grab bedeckt war!
    Ich wartete nicht auf Danio und Simeon, sondern lief los. Als ich auf der Anhöhe ankam, hatte ich Seitenstechen. Schwer atmend blieb ich stehen, den Stein an mich gepresst. Die weißen Steine am Grab waren in Unordnung, manche davon ein Stück fortgeschwemmt, und das Kreuz stand leicht schief. Ich kniete mich hin, schob den Hagel an den

Weitere Kostenlose Bücher