Totenbraut (German Edition)
Harz wahrzunehmen, seine Haut und eine Hand auf meinem Rücken, als er mich noch näher an sich zog. Das war wie in meinem Traum, nur viel, viel verwirrender. Die Nähe machte mir nichts aus – im Gegenteil, ich wünschte mir sogar, mich in die Umarmung sinken zu lassen.
„Ich muss mit dir reden!“, flüsterte er.
„Ist ... etwas passiert?“, wisperte ich.
„Nein, mir fehlen nur die Stiche meiner Distel. Ich komme übermorgen Abend zu dir.“
Wenige Herzschläge lang war sein Mund dem meinen ganz nah und ich ertappte mich dabei, ihn einfach küssen zu wollen.
„Dušan, ich weiß nicht, ob ...“ Doch da war nur noch ein aufblitzendes Lächeln zwischen den Büschen.
„Pass auf dich auf, Schöne!“, hörte ich noch. Dann war er fort und ich blieb benommen und mit rasendem Herzen zurück. In meiner Hand hielt ich etwas Seidiges, Glattes: eine glänzende Rabenfeder.
So oft hatte ich mir ausgemalt, wie es sein würde, Anica wiederzusehen. In meinen Gedanken hatten wir vernünftig und höflich miteinander gesprochen. Doch als sie ausgerechnet an diesem Nachmittag plötzlich aus dem Baumschatten an den Bach trat, fühlte mein Magen sich an, als würde sich darin ein schmerzender Knoten zusammenziehen. Anicas Rock und ihr Kopftuch waren nass vom Nieselregen. Sie trug einen Korb bei sich, der offenbar schwer war. Aber vor dieses Bild schob sich sofort wieder das andere, das mich heute mehr denn je verunsicherte – der Sonnenstrahl auf ihrem nackten Rücken, das lange, offene Haar. Ein Geheimnis der Liebenden, das nicht für mich galt.
Rasch füllte ich meine beiden Eimer mit Wasser, hakte die Henkel am Tragej och ein und balancierte die Behälter auf meinen Schultern aus.
„Soll ich dir helfen?“, fragte Anica.
Ich schüttelte den Kopf. „Du wirst ja wohl kaum eines unserer Pferde kaufen wollen. Also weiß ich nicht, was du hier verloren hast.“
Damit ließ ich sie einfach stehen und stapfte über die matschige Wiese auf meinen Turm zu. Der Regen rann mir in den Kragen und benetzte mein Gesicht. Natürlich folgte sie mir, aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie sie leichten Fußes neben mir herlief, eine schwarze, schlanke Gestalt, die mich um einen Kopf überragte. Mit jedem Schritt ärgerte ich mich mehr, vor allem, als Sivac auf uns zusprang und auch Anica freudig kläffend begrüßte. Missmutig setzte ich die Eimer ab, nahm sie dann an den Henkeln und trug sie die Treppe hoch. In der Tür drehte ich mich noch einmal zu Anica um. „Du hast den Weg umsonst gemacht. Danilo ist fortgeritten und kommt erst heute Abend zurück.“
„Zu Danilo will ich auch gar nicht. Sondern zu dir.“
„Dann hoffe ich, du bist Regen gewöhnt“, bemerkte ich spitz und schlug die Tür hinter mir zu.
„Jasna!“ Ihre Stimme klang gedämpft, aber umso energischer. Schritte polterten auf der Treppe, dann trommelte ihre Faust gegen das Holz. „Lass mich rein, es ist wichtig!“
„Geh zum Teufel!“, schrie ich. Ich glaubte, durch die Tür ein Schimpfen zu hören, doch das Hämmern hörte auf. Ich zerbrach beinahe einen Krug und schürte das Feuer im Herd so stark, dass ein Stück Glut auf den Boden fiel. Als ich aus dem Fenster blickte, stand Anica mit verschränkten Armen am Fuß der Treppe und mein treuloser, feiger Hund saß tropfnass und fröhlich hechelnd neben ihr und sah aus, als hätte er das Glück der Erde im Regen gefunden. Aus Anicas übertrieben aufrechter Haltung sprach eine Entschlossenheit, die an Starrsinn grenzte. Diese Geste erkannte ich nur zu gut wieder – das da draußen hätte ich sein können, wie ich Sonntag für Sonntag vor der Kirche gesessen hatte. Ich versuchte nicht mehr aus dem Fenster zu sehen, aber natürlich gelang es mir nicht. Kurz darauf klopfte es wieder, nachdrücklich und voller Ungeduld. Längst war aus meinem Unbehagen Zorn geworden. Ich riss die Tür auf.
„Was willst du von mir? Du hast hier nichts verloren!“
„Da gebe ich dir nur zu gerne Recht“, erwiderte sie barsch. „Du kannst mir glauben: Nichts würde mich zu diesen verdammten Türmen bringen, wenn es nicht wichtig wäre. Und ich werde nicht gehen, bevor du mich wenigstens an gehört hast.“
Wasser floss in Bächen aus ihrem Rock. Ihre Lippen waren blau, so durchgefroren war sie.
„Wärm dich auf, und dann geh!“, sagte ich.
Sie nickte sichtlich erleichtert und trat ein. Sivac versuchte sich ebenfalls in die warme Stube zu drängen, aber ich schob ihn unbarmherzig in den Regen
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