Totenbraut (German Edition)
also ihre Tage , dachte ich und schauderte, während ich Stufe um Stufe hinunterging. Es roch klamm, nach Stein, Regen und altem Staub. Das Licht meiner Lampe zitterte über schorfige Wände. Danios Schritte folgten mir wie ein Echo.
„Sind wir nun unter dem Turm?“ Meine Stimme klang hohl und dumpf.
„Ja“, sagte Danilo. „Der Gang stammt aus der Türkenzeit. Und nun komm! Oder willst du den Kreuzweg der Familie Vuković nicht zu Ende gehen?“
Der Gang endete an einer schweren Kellertür. Sie stand ein Stück weit offen, Licht fiel durch den Türspalt. Danilo drängte sich an mir vorbei und drückte die Tür auf. „Jasna ist hier“, sagte er in den Raum. „Sie will ihn sehen.“
Ich hörte Nemas entsetztes Keuchen. „Warum bringst du sie hierher?“, zischte Simeon. „Sie darf es nicht sehen, sie wird ...“ Doch dann hörte er das Knarren der Tür und verstummte abrupt. Ich konnte das Entsetzen der beiden geradezu spüren, als ich mit gesenktem Blick eintrat. Ein dunkelbrauner Teppich mit verschlungenen Mustern verschluckte meine Schritte. Sieh hin! , befahl ich mir.
Ich hob den Kopf – und schnappte nach Luft. Alles hätte ich erwartet, nur das nicht! Schimmer von Ikonengold! Dutzende von Heiligengesichtern, die von den Wänden auf mich herabblickten. Kerzenlicht hinter Schleiern, die das Licht dämpften und den Gewölbekeller wie eine Kirche aussehen ließen. An der Wand vor mir befand sich eine Art Schrein, auf dem weitere Ikonen aufgestellt waren. Darauf stand ein hölzernes Kreuz, so lang wie mein Unterarm. Es war schwarz von Ruß, nur die Zierkappen an den Enden der Balken glänzten golden. Als ich ein ersticktes Keuchen und ein Husten von der linken Seite des Raumes hörte, zuckte ich zusammen. Ein Vorhang verwehrte mir die Sicht, doch im selben Augenblick wurde er zur Seite gerissen.
„Dort liegt er“, sagte Danilo und gab den Weg frei.
Mit seinen bestickten, glänzenden Decken wirkte das Bett in dieser unterirdischen Kirche wie ein Altar. Ich konnte nur wirres schwarzes Haar erkennen und eine bebende Schulter. Nema hockte am Bettrand. In ihren Augen spiegelten sich all die Befürchtungen und Ängste wider, die ihr in dieser Stunde wohl durch den Kopf gingen. Simeon saß mit wutbleichen Lippen neben ihr.
Vampir stöhnte und wandte den Kopf. Mir war, als würden meine Brust und meine Schultern zu kaltem Stein, als ich ihn bei Licht sah. Es war tausend Mal schlimmer als die Ahnung im Mondschein und ich begriff, dass ich tatsächlich keinerlei Vorstellung davon hatte, welche Last Danilo seit so vielen Jahren trug. Ein Lebender in einem zerfallenden Körper. Vampirs Haut war schneeweiß, aber an einigen Stellen erkannte ich schwarzbraune oder rote Male wie von Verbrennungen. Seine Augen lagen in tiefen, bläulichen Höhlen, die Lippen waren kaum noch vorhanden, sodass man die Zähne sah. Sie waren unglaublich lang und von dunkelroter Farbe. Die Nasenspitze und die Ohren fehlten fast ganz und die Hand, die auf der Decke lag, wirkte wie eine Klaue, fleckig, mit Nägeln wie Krallen.
Nema zog die Decke bis zu seinem Kinn hoch, als wollte sie ihn vor meinem entsetzten Blick schützen. Nimm das Licht herunter, bedeutete sie mir. Doch ich ertrug den Anblick ohnehin keinen Moment länger. Ich senkte die Lampe und sah mich Hilfe suchend nach Danilo um, aber er hatte sich abgewandt und stand mit verschränkten Armen neben der Tür.
„Er war gestern im Tageslicht am Grab“, erklärte Simeon. „Seine Haut hat Schaden genommen. Es wird Tage dauern, bis er sich wieder erholt hat.“
Obwohl Simeon leise gesprochen hatte, regte sich Vampir. Ein Mensch hätte zuerst die Augen geöffnet, um nach dem Rechten zu sehen, dieses Wesen aber witterte wie ein Hund. Und anscheinend nahm er mich als etwas Fremdes wahr. Denn jetzt riss er die Augen auf und fuhr hoch. Nema fasste ihn bei den Schultern, doch er bäumte sich auf.
„Herr im Himmel, beschütze uns!“ Das genuschelte Zischen aus dem verstümmelten Mund peitschte meine Angst wieder hoch. Ich stolperte zurück, bis ich gegen einen steinernen Rippenpfeiler des Gewölbes stieß.
„Ruhig“, sagte Simeon zu Vampir. „Das ist keine Hexe, sondern Danilos Frau. Sie wird dir nichts tun. Sie ist gut und wird dich beschützen, so wie wir alle.“
Bei diesen Worten sah er mich eindringlich an, als wollte er von mir ein Versprechen hören. Vampirs fiebriger Blick schweifte zu Nema, die ihn mit Gesten beruhigte, deren Sinn wohl nur er allein lesen konnte,
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