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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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nicht gelang, zum Schweigen.“
    Ich griff mir unwillkürlich an die Kehle. Ich brauchte nicht zu fragen, wer noch durch seine Hand verstummt war. Wenn Nema kein Kopftuch trug, fiel eine kleine runde Narbe an ihrem Hals auf – genau neben der Stelle, wo man bei einem Mann den Kehlkopf sah.
    Simeon nickte, als hätte er meine Gedanken gehört.
    „Nema war Saniyes Vertraute und Botin“, raunte er mir zu. „Wir dachten, sie würde uns verraten. Doch sie schwieg auch dann, als der Türke sie zu sich bringen ließ. Es kostete sie ihre Stimme. Ich beschwor Jovan, sofort abzureisen. Er willigte zwar ein, sagte aber, wir müssten den Morgen abwarten. Seine Leidenschaft loderte bereits zu hell, als dass Vernunft sie hätte löschen können. Natürlich traf er sich in dieser Nacht ein letztes Mal mit Saniye. Ich verfluchte ihn, als ich es bemerkte, aber hätte ich ihn im Stich lassen sollen? Nein, ich suchte ihn. Doch der Türke war ebenso schnell wie ich. Und was dann geschah, weißt du.“ Er schluckte schwer und senkte den Kopf.
    „Er verfluchte sie beide“, flüsterte ich.
    Simeon schloss die Augen. „Ihre Seelen und auch die ihrer Nachkommen sollten dem Teufel gehören“, sagte er mit rauer Stimme. „Der Makel des Blutes fortan an ihnen kleben. Die Geister sollten Jovan peinigen und seine Lenden nur tote, dämonische Frucht hervorbringen.“
    Ich brachte es nicht fertig, zu Vampir zu blicken. Er schien eingeschlafen zu sein, nicht einmal sein Atem rasselte mehr.
    „Wir hatten keine Wahl, als zu fliehen. Und Saniye und Nema kamen mit uns. Niemand wusste, aus welchem Landstrich Serbiens wir stammten. Das war unser Glück. Saniye lernte schnell – die Gebete und so viel von der Sprache, dass sie das Glaubensbekenntnis vor einem Priester sprechen konnte. Er bestätigte ihren Übertritt zum orthodoxen Glauben. Und gab ihr einen neuen Namen.“
    „Wie hat Nema das Glaubensbekenntnis gesprochen?“, fragte ich.
    „Der Herr hört auch die Worte der Stummen.“ Simeon seufzte tief. „Milutin kam sehr bald darauf, dass Marja von der türkischen Seite stammte, und hetzte Jovans Vater gegen den eigenen Sohn auf. Natürlich kam es zum Streit. Ich versuchte Petar milde zu stimmen, aber der alte Mann wollte Marja fortjagen. Als ‚Heidentürkin‘ beschimpfte er sie und verbot ihr den Zutritt zum Jelena-Turm. Ich glaube, er starb am Kummer.“
    „Und weiß Milutin ... von ihm? Von Vampir?“
    „Niemand weiß es. Wenn sie es erfahren würden, würde bald der nächste Turm brennen.“ Mit jenem abwesenden Blick, der weit in die Vergangenheit zurückreichte, fuhr Simeon fort: „Für Saniye hat Nema ihre Stimme verloren. Aber für Vampir würde sie sogar ihr Leben opfern. Wäre sie nicht gewesen, wäre auch er im Turm umgekommen.“
    Seltsamerweise überraschte mich dieser Teil der Geschichte kaum. Er fügte lediglich ein weiteres Bild hinzu: das von Nema als jüngerer Frau mit schwarzem Haar, wie sie aus dem Fenster des Turms klettert, ein Bündel auf dem Rücken, das sie vor den Flammen retten will.
    „Jovan glaubte nicht daran, dass der Fluch ihn wirklich ereilen würde“, schloss Simeon. „Vor Gott könne es keine Sünde sein, einen Freund zu retten und einen Heiden zu töten ... Wie sehr er sich getäuscht hat!“
    Ich wich zur Seite aus und brachte einige Schritte Abstand zwischen den Alten und mich. Längst graute mir auch vor ihm, vor seinem stieren Blick, seiner Härte, die ich nun deutlich spürte, und seinem Leid. Gleichzeitig übermannte mich wieder die Wut.
    „Auf diesem Gut gibt es so viele Wahrheiten wie Kammern“, sagte ich bitter. „In welche ich auch gehe, jede sieht anders aus. Ist das jetzt die Wahrheit? Die endgültige?“
    „Die einzige, die für uns gilt“, sagte Simeon und deutete auf den Vampir . „Erst wenn sein Leiden endet, kann eine neue Wahrheit beginnen.“
    Meine Kehle schmerzte und war so trocken, dass ich kaum schlucken konnte. „Und wann wird das sein?“, stieß ich hervor.
    „Wenn du und Danilo einen Sohn habt“, antwortete Simeon, als wäre es selbstverständlich. Als würden die Gesetze dieser Familie für mich gelten wie Gottes Wort. Es verstörte mich. Und widerte mich an.
    Ich sah zu Danilo. Immer noch stand er an der Tür. Es wäre seine Aufgabe gewesen, Simeon zu antworten. Aber anstatt etwas zu sagen, drehte er sich auf dem Absatz um und stürmte hinaus. Sivac schien draußen nur darauf gewartet zu haben, dass die Tür aufging. Flink schlüpfte er in den Keller,

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