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Totenbuch

Totenbuch

Titel: Totenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Menschenverstand.« Die Stimmung zwischen Lucy und ihm ist
gereizt, seit er sie vom Flughafen abgeholt und über ihren Hubschrauber
gefrotzelt hat. Er hat den Helikopter als Schneebesen bezeichnet. Sie hat ihn
dafür einen Ludditen - einen Maschinenstürmer - genannt. Leider weiß
Turkington nicht, was ein Luddit ist, und sie bleibt ihm die Erklärung
schuldig.
    »Allerdings können wir auch
nicht ausschließen, dass sie entführt wurde, um Lösegeld zu erpressen«, sagt
Lucy. »Obwohl ich das eher nicht annehme. Trotzdem war es die richtige Entscheidung,
eine Großfahndung auszulösen.«
    »Schade, dass sich die Reporter
nicht abwimmeln lassen. Becky meldet, sie hätten außerdem den ganzen Vormittag
Schaulustige vom Haus verscheuchen müssen.«
    »Wer ist Becky?«, erkundigt sich
Lucy.
    »Die Leiterin der
Spurensicherung. Sie hat wie ich einen Nebenjob als Sanitäterin.«
    Scarpetta fragt sich, warum er
das so betont. Ob es ihm peinlich ist, dass er etwas dazuverdienen muss?
    »Wahrscheinlich brauchen Sie
sich keine Sorgen zu machen, wie Sie das Geld für die Miete zusammenkriegen«,
fügt er hinzu.
    »Da irren Sie sich. Außerdem ist
meine Miete vermutlich ein bisschen höher als Ihre.«
    »Da haben Sie sicher recht. Die
Labors kosten Sie bestimmt eine Stange Geld. Und dann noch die fünfzig Häuser
und die Ferrari.«
    »Fünfzig ist ein wenig
übertrieben. Woher sind Sie eigentlich so gut über meine Vermögensverhältnisse
informiert?«
    »Benutzen inzwischen viele
Polizeidienststellen Ihre Labors?«, antwortet er mit einer Gegenfrage.
    »Ein paar. Die Bauarbeiten sind
noch nicht abgeschlossen, aber das meiste steht schon, und die nötigen Zulassungen
liegen ebenfalls vor. Sie haben also die Wahl: wir oder die Einrichtungen der
Justizbehörden von South Carolina. Aber wir sind schneller«, fügt sie hinzu.
»Und falls Sie etwas wünschen, das nicht auf der Karte steht, haben wir genug
Freunde in bestens ausgestatteten Instituten wie Oak Ridge und Y-Twelve.«
    »Ich dachte, dort werden
Atomwaffen hergestellt.«
    »Nicht nur.«
    »Soll das ein Scherz sein?
Führen die etwa auch kriminaltechnische Untersuchungen durch? Was zum
Beispiel?«, will er wissen. »Das ist geheim.«
    »Ist auch egal. Sie wären
sowieso viel zu teuer für uns.«
    »Richtig. Aber man kann über
alles reden.«
    Turkingtons dunkle Sonnenbrille
erscheint im Rückspiegel. »Schlafen Sie schon?«, meint er zu Scarpetta,
wahrscheinlich, weil er genug von Lucy hat.
    Er trägt einen cremefarbenen
Anzug, und Scarpetta fragt sich, wie er es bloß schafft, sich am Tatort nicht
schmutzig zu machen. Sie greift einige der wichtigeren Punkte aus seinem
Gespräch mit Lucy auf und schärft den beiden noch einmal ein, dass man nichts
als gegeben voraussetzen sollte - so zum Beispiel in der Frage, seit wann Lydia
Websters Auto fort ist. Schließlich hat sie es nur hin und wieder benutzt, um
Zigaretten, Alkohol und etwas Essbares zu besorgen - auch wenn sie aus
gesundheitlichen Gründen lieber gar nicht mehr hätte fahren sollen. Das Auto
könnte also schon vor Tagen gestohlen worden sein. Außerdem ist es durchaus möglich,
dass sein Verschwinden gar nichts mit dem des Hundes zu tun hat. Hinzu kommen
die Fotos, die der Sandman an Dr. Seif gemailt hat. Beide Frauen, Drew Martin
und Lydia Webster, wurden in einer Badewanne, offenbar gefüllt mit kaltem
Wasser, fotografiert und standen eindeutig unter Drogeneinfluss. Auch die
Beobachtungen von Mrs. Dooley darf man nicht außer Acht lassen. Bis weitere
Erkenntnisse vorliegen, muss man deshalb in diesem Fall von einem Mord
ausgehen. Denn wie Scarpetta schon seit über zwanzig Jahren predigt, lässt sich
Versäumtes meistens nicht mehr nachholen.
    Im Moment jedoch ist sie voll
und ganz damit beschäftigt, ihre Erinnerungen zurückzudrängen. Ihr letzter
Besuch auf Hilton Head diente dem Zweck, Bentons Wohnung auszuräumen. Niemals
wäre sie in dieser schrecklichen Zeit auf den Gedanken gekommen, der Mord an
ihm könnte nur vorgetäuscht sein, um ihn vor den Menschen zu schützen, die ihn
andernfalls ganz sicher umgebracht hätten. Wo mögen die verhinderten Mörder
heute sein? Haben sie das Interesse an ihm verloren? Sind sie zu dem Schluss
gekommen, dass er keine Bedrohung mehr darstellt und dass Rache an ihm nicht
lohnt? Diese Frage hat Scarpetta auch Benton gestellt, aber er verweigert die
Antwort und behauptet, dass er darüber nicht reden darf. Als Scarpetta das
Fenster von Turkingtons Auto öffnet, funkelt der

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