Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenbuch

Totenbuch

Titel: Totenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
erwidert Dr. Seif. »Die Situation
erinnert mich sehr an Ihre, Kay. Ich wusste, was sie getan hat. Warum lassen
sich Menschen von jemandem einwickeln, der nicht gut für sie ist?, höre ich
mich fragen, und alle Antworten haben gewaltiges Potenzial für eine neue
Sendung. Es ist ziemlich anstrengend, aber auch ein erhebendes Gefühl, wenn
man weiß, dass einem die Ideen für Shows niemals ausgehen werden. Marino hätte
vorsichtiger sein müssen. Er ist so einfach gestrickt. Haben Sie eigentlich
schon von ihm gehört?«
    »Sie waren der Anfang vom Ende«,
gibt Scarpetta zurück. »Warum konnten Sie ihn nicht in Ruhe lassen?“
    »Der Kontakt ging von ihm aus.«
    »Seine E-Mails waren die eines
verzweifelten, unglücklichen und verängstigten Menschen. Und Sie waren seine
Psychiaterin.«
    »Vor vielen Jahren. Ich kann
mich kaum noch daran erinnern.«
    »Vor allem Sie hätten über
seinen Zustand Bescheid wissen müssen. Aber Sie haben ihn missbraucht. Sie
haben ihn benutzt, um mir zu schaden. Was Sie mit mir machen, ist mir
gleichgültig, doch Sie hätten die Finger von ihm lassen sollen. Aber das hat
Ihnen noch immer nicht genügt, nicht wahr? Sie wollten Benton wehtun. Warum? Um
sich für Florida an mir zu rächen? Ich hätte gedacht, dass Sie Besseres zu tun
haben.«
    »Ich bin in einer Zwickmühle,
Kay. Sehen Sie, Shandy sollte bekommen, was sie verdient hat. Inzwischen hat
Paolo sicher ein langes Telefonat mit Benton geführt. Oder irre ich mich?
Natürlich hat Paolo mich sofort angerufen. Nun ist mir so manches klar geworden.«
    »Paolo hat Sie angerufen, um
Ihnen mitzuteilen, dass der Sandman Ihr Sohn ist«, entgegnet Scarpetta.
    »Eines der Puzzleteilchen ist
Shandy. Das andere ist Will. Und ein weiteres ist Little Will, wie ich ihn
immer genannt habe. Mein Will kam aus dem Krieg nach Hause und spazierte mitten
in das nächste Schlachtfeld hinein, das noch viel grausamer war. Halten Sie es
nicht für möglich, dass das der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen
brachte? Das soll nicht heißen, dass er davor geistig gesund gewesen wäre. Ich
bin die Erste, die zugibt, dass auch meine Schraubenschlüssel unter seiner
Motorhaube nichts hätten ausrichten können. Das war vor etwa einem oder
anderthalb Jahren, Kay. Er kehrte zurück und fand seinen Sohn halb verhungert
und misshandelt vor.«
    »Shandy«, stellt Scarpetta fest.
    »Will war es nicht. Ganz gleich,
was mein Sohn inzwischen getan haben mag, er würde niemals ein Kind quälen.
Wahrscheinlich fand Shandy es lustig, den Kleinen zu schlagen, einfach nur deshalb,
weil es niemanden gab, der sie daran gehindert hätte. Er war ihr lästig. Das
wird sie Ihnen selbst bestätigen. Ein Schreibaby, das ständig an Koliken litt.«
    »Und sie hat es geschafft, es
vor ihrer Umwelt geheim zu halten?«
    »Will war bei der Air Force. Bis
zum Tod ihres Vaters lebte Shandy mit dem Kind in Charlotte. Dann habe ich ihr
zum Umzug geraten. Erst hier hat sie angefangen, das Kind so schwer zu misshandeln.«
    »Und hat sie die Leiche nachts
im Sumpf abgelegt?«
    »Sie selbst? Vermutlich nicht.
Das kann ich mir nicht vorstellen. Sie hat ja nicht einmal ein Boot.«
    »Woher wissen Sie, dass ein Boot
verwendet wurde? Wenn ich mich recht entsinne, wurde das nirgendwo erwähnt.«
    »Sie kennt sich weder in den
Bächen noch mit den Gezeiten aus und würde niemals nachts auf dem Wasser
herumfahren. Ein kleines Geheimnis: Sie kann nicht schwimmen. Also steht fest,
dass sie Hilfe gebraucht hat.«
    »Besitzt Ihr Sohn ein Boot? Hat
er Erfahrung mit den hiesigen Gewässern?«
    »Früher hatte er einmal eins und
hat gern mit seinem kleinen Sohn Ausflüge unternommen. Picknicks. Zelten auf
einsamen Inseln. Abenteuerliche Entdeckungsfahrten. Nur Vater und Sohn. Er war
ja so phantasievoll und sentimental und eigentlich selbst wie ein Kind. Während
seines letzten Einsatzes hat Shandy viele seiner Sachen verkauft. Wirklich ein
Herzchen, die Kleine. Ich bin nicht sicher, ob er überhaupt noch ein Auto hat.
Aber er ist erfinderisch, schnell zu Fuß und sicher auch geschickt darin,
einfach unterzutauchen. Das hat er sicher da drüben gelernt.« Damit meint sie
den Irak.
    Scarpetta denkt an Marinos
Fischerboot mit flachem Kiel, das mit einem PS-starken Außenbordmotor, einem am
Bug angebrachten Schleppmotor und Rudern ausgestattet ist. Das Boot, das er
schon monatelang nicht mehr benutzt und inzwischen offenbar vergessen hat.
Insbesondere in letzter Zeit - seit er Shandy kennt. Sicher wusste sie

Weitere Kostenlose Bücher