Totenbuch
fensterlosen
Transporter.
Scarpetta geht voran. Zorn
beflügelt ihren Schritt, und sie hört kaum zu, wie die vier sich unterhalten.
Lucious Meddicks Leichenwagen wurde, den Schlüssel im Zündschloss, hinter
Hollings' Beerdigungsinstitut gefunden. Der Täter muss ihn dort abgestellt haben.
Oder vielleicht Shandy. Bonnie und Clyde, so nennt Capitano Poma die beiden. Dann
kommt er auf Bull zu sprechen. Wo steckt er? Was könnte er wissen? Bulls Mutter
behauptet schon seit Tagen, er sei nicht zu Hause. Auch von Marino noch immer
keine Spur. Inzwischen wird er von der Polizei als vermisst gesucht. Laut
Hollings werden die Leichen sofort in die Pathologie überführt. Nicht in
Scarpettas Autopsiesaal, sondern in den der medizinischen Fakultät der
University of South Carolina, wo zwei Gerichtsmediziner bereitstehen. Sie
haben schon den Großteil der Nacht mit der Leiche von Gianni Lupano verbracht.
»Wenn Sie möchten, können Sie
sich beteiligen«, sagt Hollings zu Scarpetta. »Da Sie die Toten gefunden haben,
sollten Sie auch bei der Autopsie dabei sein. Natürlich ist das nur ein
Angebot.«
»Die Polizei muss dringend den
Fundort auf Morris Island absichern«, entgegnet sie.
»Zodiac-Boote sind unterwegs. Am
besten erkläre ich Ihnen jetzt den Weg zur Leichenhalle.«
»Ich war bereits dort. Sie
sagten doch, die Sicherheitschefin im Charleston Place sei Ihre Freundin. Wie heißt sie noch
mal?«
Sie gehen weiter.
»Selbstmord. Tödliche Verletzung
infolge eines Sprungs oder Sturzes. Keinerlei Hinweis auf ein Verbrechen.
Außer, es wäre strafbar, wenn man einen Menschen so weit treibt, dass er sich
etwas antut. In diesem Fall sollte man Dr. Seif unter Anklage stellen. Meine
Freundin im Hotel heißt übrigens Ruth.«
Das Verwaltungsgebäude ist hell
erleuchtet. Scarpetta geht auf die Toilette, um sich Gesicht und Hände zu
waschen und sich die Nase auszuspülen. Dann versprüht sie Raumspray, stellt
sich in den Nebel und putzt sich anschließend die Zähne. Als sie herauskommt,
wird sie von Benton erwartet.
»Du solltest nach Hause fahren«,
sagt er.
»Als ob ich jetzt schlafen
könnte.«
Er folgt ihr. Währenddessen
fährt der fensterlose Transporter los. Hollings spricht mit Capitano Poma und
Lucy. »Ich muss noch etwas erledigen«, sagt Scarpetta. Benton erhebt keine
Einwände. Sie geht allein zu ihrem SUV.
Ruths Büro liegt neben der
Hotelküche, wo in letzter Zeit mehrere Diebstähle vorgekommen sind.
Shrimps
sind besonders begehrt, und manche Kleinkriminelle verkleiden sich sogar als
Köche. Aufmerksam hört Scarpetta Ruth zu, während sie eine Anekdote nach der
anderen erzählt. Schließlich will sie etwas von der Sicherheitschefin, und das
wird sie nur bekommen, wenn sie eine Weile brav Publikum spielt. Ruth ist eine
elegante ältere Dame und war früher Captain bei der Nationalgarde, obwohl sie
eher wie eine freundliche Bibliothekarin aussieht. Sie erinnert Scarpetta ein
wenig an Rose.
»Aber sicher sind Sie nicht
wegen meiner Geschichten hier«, meint Ruth endlich. Sie sitzt hinter einem
Schreibtisch, der offenbar im Hotel nirgendwo sonst mehr gebraucht wurde. »Sie
wollen etwas über Drew Martin wissen. Bestimmt hat Mr. Hollings Ihnen schon
gesagt, dass sie ihr Zimmer bei ihrem letzten Aufenthalt nicht benutzt hat.«
»Ja, das hat er«, antwortet
Scarpetta und überlegt, ob Ruth unter ihrer Jacke mit Paisley-Muster wohl eine
Waffe trägt. »War ihr Trainer denn manchmal hier?«
»Hin und wieder hat er im
Hotelrestaurant gegessen und immer dasselbe bestellt: Kaviar und Dom Perignon.
Sie ist, soweit ich weiß, nie dabei gewesen. Allerdings kann ich mir auch nicht
vorstellen, dass eine professionelle Tennisspielerin am Abend vor einem wichtigen
Spiel eine reichhaltige Mahlzeit zu sich nimmt oder Champagner trinkt. Wie ich
schon sagte, führte sie vermutlich ein Doppelleben, denn ihr Bett war
unberührt.«
»Sie haben momentan einen
anderen berühmten Gast im Haus«, stellt Scarpetta fest.
»Wir haben häufig berühmte
Gäste.«
»Ich könnte von Tür zu Tür gehen
und anklopfen.«
»Um die abgesicherte Etage zu
betreten, brauchen Sie einen besonderen Schlüssel. Außerdem gibt es dort
vierzig Suiten. Das sind eine ganze Menge Türen.«
»Meine erste Frage lautet, ob
sie noch da ist. Wie ich annehme, hat sie das Zimmer nicht unter ihrem Namen
reserviert. Ansonsten würde ich sie einfach anrufen«, erwidert Scarpetta.
»Wir bieten Zimmerservice rund
um die Uhr. Weil ich so nah an der
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