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Totenbuch

Totenbuch

Titel: Totenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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auch von
der Existenz des Bootes, auch wenn sie nie damit gefahren sind. Sie hätte Will
davon erzählen können. Vielleicht hat er es sich ja ausgeliehen. Man müsste
Marinos Boot untersuchen. Scarpetta überlegt, wie sie das der Polizei am besten
klarmachen soll.
    »Wer sonst hätte sich um Shandys
kleines Problem mit der Leiche kümmern können? Was blieb meinem Sohn denn
anderes übrig?«, fährt Dr. Seif fort. »So ist es nun einmal im Leben. Ein
Mensch macht sich schuldig und zieht andere mit hinein. Will hat seinen Sohn
geliebt. Doch wenn Daddy in den Krieg zieht, muss Mommy eben beide Elternteile
ersetzen. Leider war Mommy in diesem Fall ein Ungeheuer. Ich habe sie schon
immer verabscheut.«
    »Dennoch haben Sie sie
finanziell unterstützt«, wendet Scarpetta ein. »Und zwar recht großzügig, wie
ich hinzufügen möchte.«
    »Warten Sie. Lassen Sie mich
raten. Wahrscheinlich hat Lucy in ihrem Privatleben herumgeschnüffelt und sich
darüber informiert, was sie auf der Bank hat - beziehungsweise hatte. Wenn
Shandy mich nicht angerufen hätte, wüsste ich bis heute nichts vom Tod meines Enkels.
Ich glaube, es war an dem Tag, als die Leiche gefunden wurde. Sie wollte Geld.
Immer mehr. Und außerdem meinen Rat.«
    »Sind Sie ihretwegen hier?«
    »Shandy hat mich in den letzten
Jahren gnadenlos erpresst. Niemand weiß, dass ich einen Sohn, geschweige denn
einen Enkel habe. Wenn sich das herumgesprochen hätte, würde ich überall als
Rabenmutter dastehen. Als Großmutter, die ihr Enkelkind vernachlässigt. Die
Verleumdungen meiner lieben Mutter wären auf offene Ohren stoßen. Als ich
berühmt wurde, konnte ich nicht mehr ungeschehen machen, dass ich mich so lange
Zeit ganz bewusst von meiner Vergangenheit distanziert hatte. Ich musste das
Spiel fortsetzen. Und die liebe Mommy - damit meine ich Shandy - hat mein
Geheimnis gewahrt und dafür so manchen Scheck kassiert.«
    »Und was bezahlt sie Ihnen
dafür, dass Sie sie nicht verraten?«, fragt Scarpetta. »Immerhin hat sie ihren
Sohn misshandelt und getötet. Sie helfen ihr, ungeschoren davonzukommen. Für
welchen Preis?«
    »Die Geschworenen wären sicher
begeistert von dem Film, der sie zeigt, wie sie in Ihrem Autopsiesaal und in
Ihrer Kühlkammer einen Blick auf ihren toten Sohn wirft. Die Mörderin in Ihrer
Leichenhalle! Denken Sie nur an das Medienecho. Auch bei zurückhaltender
Schätzung würde ich sagen, dass Sie dann beruflich einpacken könnten, Kay.
Also sollten Sie mir dankbar sein. Mein Schweigen rettet Ihnen den Hals.«
    »Offenbar kennen Sie mich doch
nicht.«
    »Ich habe vergessen, Ihnen
Kaffee anzubieten. Zimmerservice für zwei.« Sie lächelt.
    »Was Sie Lucy, Benton und mir
angetan haben, werde ich Ihnen nie verzeihen«, erwidert Scarpetta und steht
auf. »Was haben Sie mit Marino gemacht?«
    »Was hat er denn mit Ihnen
gemacht? Aber ich weiß genug. Wie hat Benton es verkraftet?« Dr. Seif schenkt
Kaffee nach. »Wirklich eigenartig.« Sie lehnt sich zurück. »Als Marino in
Florida bei mir in Behandlung war, konnte man seine Begierde fast mit Händen
greifen. Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte mir die Kleider vom Leib
gerissen. Es ist so ödipal und jämmerlich. Er will seine Mutter vögeln - den
mächtigsten Menschen in seinem Leben - und wird dem ödipalen Regenbogen
nachjagen bis ans Ende seiner Tage. Als er mit Ihnen im Bett war, ist er leider
auch nicht auf die Goldader gestoßen. Und dabei hatte er sich so darauf gefreut.
Hurra, endlich geschafft! Ein Wunder, dass er sich nicht umgebracht hat.«
    Scarpetta steht an der Tür und
starrt sie entgeistert an.
    »War es wenigstens schön mit
ihm?«, höhnt Dr. Seif. »Bei Benton kann ich es mir vorstellen. Aber Marino?
Ich habe schon seit Tagen nichts mehr von ihm gehört. Haben Sie beide das
Problem schon besprochen? Was sagt denn Benton dazu?«
    »Von wem haben Sie es, wenn
nicht von Marino?«, erkundigt sich Scarpetta leise.
    »Von Marino? Um Himmels willen,
nein! Er hat mir nichts von Ihrem kleinen Techtelmechtel erzählt. Jemand ist
ihm zu Ihrem Haus gefolgt. Von der ... ach, wie heißt dieses Lokal noch mal? Es
war einer von Shandys Kerlen, der den Auftrag hatte, Ihnen dringend einen
Umzug ans Herz zu legen.«
    »Also stecken Sie dahinter. Das
hätte ich mir gleich denken können.«
    »Ich wollte Ihnen nur helfen.«
    »Herrscht in Ihrem Leben eine
solche Leere, dass Sie ständig Spielchen mit anderen Menschen treiben müssen?“
    »Charleston tut Ihnen nicht

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