Totenfeuer
dreien der Schweiß ausbricht. Ihr Kopf verschwindet wieder hinter ihrer Akte, als sei nichts gewesen.
Fernando haut mit der Faust auf die Tischplatte. »Also Jungs, jetzt mal Klartext!«
Die drei wechseln erneut Blicke, dann sagt Carsten: »Okay. Ich glaube, es könnte sein, dass ich irgendwann kurz eingenickt bin.«
»Wie kurz?«
»Weiß ich nicht. Ich bin wach geworden, als es hell war und Torsten gemeint hat, wir könnten jetzt gehen.«
»Torsten hat dich also geweckt?«
»Ja.«
»Also habt ihr bis jetzt gelogen. Warum?«
Erneut Schweigen. Fernando schaut das Trio der Reihe nach streng an. Ole presst die Lippen zusammen, sein Freund Torsten läuft rot an, Carsten fixiert seine abgekauten Fingernägel. Fernando findet, dass es nun Zeit wird, andere Saiten aufzuziehen: »Freunde, es geht hier um Mord. Und eure Lügerei macht euch verdächtig, ist euch das klar? Wenn ihr jetzt nicht mit der Wahrheit rausrückt, dann wandert ihr von hier direkt in U -Haft.«
Offenbar eingeschüchtert, räumt Torsten Gutensohn ein: »Ja, gut, es kann sein, dass wir ein bisschen gepennt haben.«
»Was sagst du dazu, Ole?«
»Ja, kann sein.« Ole fährt sich verlegen durch sein Haar, das einem verlassenen Krähennest gleicht.
»Von wann bis wann habt ihr geschlafen?«, will Fernando wissen.
»Weiß ich nicht. Ich habe doch nicht auf die Uhr gesehen, als ich eingeschlafen bin«, meint Torsten, schon wieder eine Spur aufmüpfig.
»Vielleicht so gegen fünf«, murmelt Ole kleinlaut.
»Dafür seid ihr dann aber früh aufgestanden«, bemerkt Jule hinter ihrer Akte. »Wovon seid ihr wach geworden?«
»Mir war kalt«, antwortet Torsten. »Da bin ich aufgestanden und rumgelaufen, und davon ist dann Ole aufgewacht, und dann haben wir Carsten geweckt und sind gefahren. Weil es ja schon hell war.«
»Stimmt, so war es«, sagt Carsten und wirkt erleichtert.
»Das müssen die anderen aber nicht erfahren, oder?«, vergewissert sich Torsten. »Die reiben uns das sonst das ganze Jahr unter die Nase.«
»Von mir nicht«, antwortet Fernando. Er vermutet, dass mit »die« ihr Anführer Matze gemeint ist. »Dann nehme ich eure Aussage jetzt so zu Protokoll.« Er beginnt zu tippen.
»Wenn sich in der Zeit jemand an dem Haufen zu schaffen gemacht hätte, hätten wir das aber garantiert gemerkt«, versichert Ole.
»Hundertprozentig«, bekräftigt Torsten, und Carsten nickt dazu wie ein Wackeldackel.
»Dann habt ihr ja sicher auch diesen Schuss gehört«, sagt Jule.
»Was für einen Schuss denn?«, erwidert Torsten erschrocken.
»Eine Anwohnerin hat gegen Morgen einen Schuss gehört.«
»Hm. Da haben wir wohl doch ein bisschen fester geschlafen, als wir gedacht haben«, räumt Torsten ein.
»Wieso wir?«, fragt Jule zurück.
»Na ja, wir drei eben.«
» Du hast vielleicht keinen Schuss gehört«, versetzt Jule. »Aber woher willst du wissen, was deine Freunde gehört haben?«
»Ja, was ist mit euch, habt ihr einen Schuss gehört?«, reißt Fernando die Befragung wieder an sich.
»Nein«, sagt Ole.
»Nein«, versichert Carsten wie ein Echo.
Jule runzelt zweifelnd die Stirn, verzichtet aber auf eine Bemerkung.
»Können wir dann gehen?«, fragt Torsten, der sich offensichtlich unwohl fühlt.
»Nein«, sagt Fernando. Er lässt die drei ein wenig schmoren, während er das Protokoll tippt und sich daran erinnert, wie seine Mutter früher die allergrößte Mühe hatte, ihn morgens zu wecken, wenn er als Jugendlicher mit seinen Freunden auf Strecke gewesen war. Weckerklingeln und Rufen waren völlig zwecklos gewesen, sie musste ihn jedes Mal wachrütteln. Allerdings hatte er in einem warmen, weichen Bett gelegen und nicht auf einer Isomatte im Freien. Als er fertig ist, fragt er: »Sagt euch der Name Roland Felk etwas?«
Carsten Meier platzt heraus: »Das ist doch der durchgeknallte Doktor.«
»Wie, durchgeknallt?«, wiederholt Fernando.
»Der macht so eigenartige Sachen in seiner Praxis in Hannover. Sagt jedenfalls mein Vater.«
»Dein Vater kennt den Mann besser?«
»Mein Vater kennt jeden, er ist der Bezirksschornsteinfeger«, erklärt Carsten.
»Ist das die Leiche?«, fragt Torsten Gutensohn neugierig.
»Möglich«, antwortet Fernando.
»Ich kenn den auch. Der hat ein Begehungsrecht im Revier meines Vater«, sagt Ole.
»Was ist ein Begehungsrecht?«, will Fernando wissen.
»Er darf dort jagen. Aber nicht alles, nur nach Absprache.«
Carsten Meier grinst über sein ganzes Pickelgesicht. »Mann, das wär ja ein Ding,
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