Totenfeuer
Gang hinunter. Dort befinden sich der Backstagebereich und die Künstlergarderoben, Räumlichkeiten, die nach Fernandos Erfahrungen beim Rauschgiftdezernat gerne einmal genutzt werden, um Drogen aller Art zu konsumieren. Fernando folgt dem schwarzhaarigen Mädchen, das hinter einer Tür verschwunden ist. Aus dem Zimmer hört man Stimmen und Gelächter. Die Tür steht einen Spalt offen, und gerade als Fernando sich nähern will, um einen Blick hineinzuwerfen, wird sie zugezogen.
Fernando sieht sich um, es ist niemand da. Er bückt sich und schaut durch das Schlüsselloch, das groß genug ist, um ihm einen Blick in den Teil des Raumes zu erlauben, an dem die vier Musiker, die Sängerin und Odas Tochter um einen Tisch herum sitzen. Sekunden später kommt sich Fernando vor wie in einem schlechten Film, als er sieht, wie dort drinnen in Bilderbuchmanier ein weißer Brocken zerkleinert wird. Er hofft, dass wenigstens Veronika ablehnen wird, aber auch sie zieht sich die Line mit einem aufgerollten Zwanziger gekonnt in die Nase.
Fernando hat genug gesehen, er richtet sich auf, gerade rechtzeitig, denn ein baumlanger Kerl kommt den Gang entlang auf ihn zu. Fernando erkennt ihn wieder, es ist der, der vorhin am Mischpult gesessen hat und also zu einem guten Teil dafür verantwortlich ist, dass Fernando haarscharf an einem Hörsturz vorbeigeschlittert ist. Der Soundmann schaut ihn misstrauisch an.
»Hi, guter Sound, große Klasse«, sagt Fernando.
Der Lange murmelt »danke« und geht an ihm vorbei in die Künstlergarderobe. Trotz seines strapazierten Gehörs kann Fernando verstehen, wie er drinnen sagt: »Leute, lasst lieber mal den Schnee verschwinden. Da draußen lungert einer rum, und ich will der Weihnachtsmann sein, wenn das kein Bulle ist.«
Fernando sieht zu, dass er wegkommt. Im Mezzo bestellt er sich ein Bier, aber es schmeckt ihm nicht so recht. Was tun? Er könnte natürlich seine alten Kollegen vom Rauschgiftdezernat anrufen, aber dann wäre Veronika mit dran, und Oda als deren Erziehungsberechtigte würde eine Menge Ärger bekommen. Schöne Scheiße! Nein, im Moment kann er nichts unternehmen. Für den Rest des Abends zerbricht er sich den Kopf darüber, ob und wie er Oda das beibringen soll.
Dienstag
»Das ist der Stand der Dinge: Wir haben eine Vermisstenmeldung, ein gewisser Dr. Roland Felk, wohnhaft in Holtensen. Seine Tochter, eine Studentin, die in Hannover wohnt, vermisst ihn seit dem Ostersonntag, es ist noch unklar, wann der Mann zuletzt gesehen wurde. Sein Wagen wurde gestern am Friedhof Linderte entdeckt, vermutlich ist er von dort zu einem Pirschgang aufgebrochen, er ist Jäger. Gleich nachher werden … Herrgott, was ist denn?«
Frau Cebulla hat kurz angeklopft und steckt, ohne ein »Herein« abzuwarten, den Kopf durch die Tür. »Herr Hauptkommissar, Telefon für Sie.«
»Wer ist denn dran?« Völxen schätzt es überhaupt nicht, wenn die Morgenbesprechung gestört wird. Er stellt dann sein Handy auf lautlos und verlangt dies auch vom Rest der Anwesenden. Frau Cebulla hat die Order, nur den Polizeipräsidenten oder den Vizepräsidenten durchzustellen.
»Es ist Ihre Frau.«
»Sabine?«, wundert sich Völxen. Sabine ruft ihn höchst selten bei der Arbeit an, und im Lauf seiner gesamten Dienstzeit hat sie ihn nur ganze drei Mal aus einer Besprechung ans Telefon holen lassen: Das eine Mal, als die Geburtswehen eingesetzt hatten, das zweite Mal war sein Vater gestorben, und beim dritten Mal hatte es im Haus einen Rohrbruch gegeben, und das Erdgeschoss stand schon eine Handbreit unter Wasser.
»Haben Sie sonst noch eine?«, versetzt Frau Cebulla.
»Oda, mach du weiter«, sagt der Hauptkommissar und folgt, nichts Gutes ahnend, der Spur von Frau Cebullas B irkenstock -Schlappen.
»Polizeidirektion Hannover, Dezernat 1.1.K, Kristensen.«
»Frau Krischtensen, einen wunderschönen guten Morgen wünsche ich.«
»Ebenso, Herr Doktor. Wie war das Golfspiel? Waren Sie siegreich beim Puttingturnier?«
»Ha noi, ganz miserabel. Net ums Veregge wär der Ball in des Loch neig’falle!«
»Das tut mir aber leid«, säuselt Oda. »Aber wie heißt es so schön, es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.«
»Ja, veräpplet Sie mi no recht.«
»Nichts liegt mir ferner, als Sie zu veräppeln. Und? Sagen Sie bloß, Sie sind mit der Leichenschau schon fertig?«
»Ha noi, no net hudle! I wollt’ Ihne’ bloß an Zwischenbericht gäbe’, Sie händ’s doch allweil so pressant. Also: männliche Leiche,
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