Totenfeuer
zurückgebracht?«
»Nein, den wird unser Chef behalten, der wohnt ja auf dem Land«, antwortet Fernando und fügt in Gedanken hinzu: Er weiß es nur noch nicht.
»Oh, das freut mich. Ich habe mir schon den ganzen Tag Sorgen um Oscar gemacht, aber mit dem Kater – das geht einfach nicht.«
»Klar«, antwortet Fernando. »Sagen Sie, etwas anderes: Wollen Sie immer noch das Zimmer in Ihrer WG … ich meine, in der Wohnung, vermieten?« Die Frage ist Fernando einfach so herausgerutscht, denn eigentlich ist dies nicht ganz der richtige Zeitpunkt, sie zu stellen. Zum einen aus Gründen der Pietät, zum anderen zählt Anna offiziell noch immer zum Kreis der Verdächtigen. Aber es muss ja auf der Dienststelle keiner erfahren, er wird ja nicht gleich morgen umziehen.
»Ja, wieso?«, kommt es etwas zögerlich.
»Ich … also, ich würde mich dafür interessieren«, gesteht Fernando. »Für mich selbst.«
»Aha. Haben Sie denn schon WG -Erfahrung?«
»Ja«, sagt Fernando voller Überzeugung. Das Wohnheim, das zur Polizeischule gehörte – die Wände waren so dünn, dass man durchaus von einer WG mit hundert Leuten sprechen kann. Und was ist das Zusammenleben mit seiner Mutter denn anderes als eine WG ? »Wenn Sie nicht wollen … ich bin Ihnen nicht böse, ehrlich. Nicht jeder mag einen Polizisten in der Wohnung haben, das verstehe ich.«
»Nein, nein, das wäre schon in Ordnung«, sagt sie.
Fernando findet, dass sie ruhig ein bisschen enthusiastischer klingen könnte. »Ich könnte ja heute Abend so gegen sechs Uhr noch mal vorbeikommen, damit wir ein paar Einzelheiten besprechen können.«
»Ja, gut.«
Fernando fällt etwas ein, das sie aufmuntern könnte: »Übrigens, ich kann Ihnen mitteilen, dass die Staatsanwaltschaft eine Obduktion der Leiche Ihres Großvaters angeordnet hat.«
»Tatsächlich?«, kommt es bedeutend lebhafter. »Dann passen Sie bloß auf, dass sie nicht abhaut.«
»Meinen Sie Ihre Tante?«
»Wen denn sonst?«
»Nun mal ganz langsam«, wehrt Fernando ab. »Eine Obduktion ist eine Sache, einen Mörder zu überführen eine andere. Selbst wenn … ich sage ausdrücklich wenn man im Körper Ihres Großvaters noch Gift oder Medikamente nachweisen kann, dann ist noch lange nicht bewiesen, wer sie ihm verabreicht hat. Also erwarten Sie da nicht zu viel.«
»Trotzdem danke für die Auskunft.«
»Bitte«, antwortet er, aber sie hat schon aufgelegt, und Fernando beglückwünscht sich zu seinem Mut, nach dem Zimmer gefragt zu haben. Aber sollte er nicht erst einmal seiner Mutter schonend beibringen, dass er ausziehen möchte? Die Aussicht auf dieses Gespräch liegt ihm wie Blei im Magen. Das wird ein Theater geben! Er mag gar nicht daran denken und muss es doch pausenlos.
Ole Lammers und sein Anwalt, ein gewisser Dr. Hofer, der in der Stadt kein Unbekannter ist, sitzen vor Völxens Schreibtisch. Frau Lammers hält sich etwas im Hintergrund, ihre Lippen sind zusammengepresst wie ein fest verschnürter Tabaksbeutel. Auch Oda ist mitgekommen, man begrüßt sich und stellt sich vor, dann rattert der Anwalt die Aussage seines Mandanten herunter. Demnach will Ole Lammers im Halbschlaf einen Schuss gehört und dann bemerkt haben, dass sein Freund Torsten nicht da war. Er habe sich nichts dabei gedacht, sich umgedreht und weitergeschlafen, bis er von Torsten geweckt worden sei. Oles Frage, wo er gewesen sei, soll Torsten mit »spazieren« beantwortet haben. Den zuvor gehörten Schuss will Ole zu diesem Zeitpunkt nicht erwähnt haben, denn er sei nicht sicher gewesen, ob er das nicht nur geträumt habe. Dann hätten sie Carsten geweckt, was schwierig gewesen sei, und wären zusammen nach Hause gefahren.
Völxen wendet sich nun direkt an Ole Lammers. »Dann bist du also am Tatort vorbeigekommen?«
Ole schüttelt den Kopf. »Nein. Ich bin erst noch mit runter nach Holtensen.«
»Warum?«
»Weil Carsten noch immer so blau war«, erklärt Ole. »Ich wollte lieber mit, falls uns der noch in den Graben kippt.«
Oda wispert Völxen zu: »Das deckt sich laut Jule mit der Aussage von Carstens Mutter.«
»Und wie bist du zurückgefahren? Über den Berg oder außen herum über Linderte?«, fragt der Kommissar.
»Außen herum.«
»Ist es über den Berg nicht kürzer?«
»Ja, aber es ist verboten.«
»Bist du immer so korrekt?«
»Da wohnt so ein blöder Rentnerarsch an der Ecke, der hat mal zu mir gesagt, wenn er mich noch mal mit dem Moped da langfahren sieht, dann zeigt er mich an.«
»Ole, bitte«,
Weitere Kostenlose Bücher