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Totenfeuer

Totenfeuer

Titel: Totenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Zeuge kein Verweigerungsrecht. Hast du das verstanden?«
    »Ja.«
    »Aber wenn du weiterhin nichts sagst, dann vernehme ich dich als Beschuldigten. Dann hast du das Recht, die Aussage zu verweigern, aber dann gehst du erst einmal da drüben …«, sie deutet aus dem Fenster auf den historischen Gefängnisbau gegenüber, »… für vierundzwanzig Stunden in Haft, und morgen lasse ich dich dem Haftrichter vorführen. Wenn der einen Haftbefehl ausstellt, dann kann das mit einigen Wochen oder Monaten U -Haft für dich enden. Und U -Haft ist kein Spaß, glaub mir …«
    »Torsten, warum bist du geflohen?«
    »Ich hatte Panik.«
    Immerhin! Der erste Satz, den Torsten seit einer Viertelstunde von sich gibt. Völxen tastet sich voran. »Was hat dich in Panik versetzt?«
    Achselzucken.
    »Torsten, hast du von der Beziehung deiner Mutter mit Roland Felk gewusst?«
    Die Augen des Jungen verengen sich, aber er hält dem bohrenden Blick des Kommissars stand. Und schweigt.
    »Du hast ihm die Schuld daran gegeben, dass sie jetzt nicht mehr bei euch wohnt, genau wie dein Vater, stimmt’s?«
    Torsten antwortet nicht.
    »Du musst eine saumäßige Wut auf ihn gehabt haben. Das kann ich gut verstehen.«
    Der Junge schaut durch ihn hindurch. Hauptkommissar Völxen holt tief Atem. »Also, noch mal ganz von vorn. Gestern habt ihr alle drei zunächst behauptet, dass ihr den ganzen Abend wach gewesen seid? Warum?«
    Keine Antwort.
    Völxen beißt die Zähne zusammen. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit vernimmt er den Jungen nicht in seinem Büro, sondern in dem winzigen Vernehmungszimmer, dessen schäbige Möbel nicht den geringsten Hauch von Gemütlichkeit aufkommen lassen. Oscar, der ihm seit heute Morgen wie ein Schatten folgt, liegt unter seinem Stuhl und schnarcht leise.
    »Bei der Osterfeuerwache einzuschlafen wäre gegen die Ehre, nicht wahr?«
    Torsten Gutensohn nickt kaum merklich. Völxen wirft einen Blick ins Protokoll. »Und das wolltet ihr vor eurem Kumpel Matze geheimhalten, kann das sein?«
    Ein kurzes Flackern tritt in Torstens Blick, aber er hält standhaft den Mund.
    »Aber als dann von dem Schuss die Rede war, wollt ihr plötzlich alle tief und fest geschlafen haben. Was ist nun wahr, Torsten? Wart ihr wach, oder habt ihr geschlafen?«
    Schweigen.
    »Torsten, es sieht nicht gut für dich aus. Du bist vor meinen Kollegen geflohen, also hast du etwas zu verbergen. Wenn du den Mund nicht aufmachst, dann landest du in U -Haft. Und das kann Monate dauern, ehe du da wieder rauskommst. Hast du eine Ahnung, wie es da zugeht? – Nein? – Das ist weit schlimmer als die normale Strafhaft. Zuerst nehmen sie dir alle persönlichen Dinge ab, auch deine Kleidung, dann filzen sie alle deine Körperöffnungen, dann stecken sie dich in Anstaltskleidung, und du verschwindest in der Zelle. Dort gibt es kein Radio, kein Fernsehen, kein Handy, keinen Computer – nichts. Auch keine Süßigkeiten. Nur schlechtes Essen, faden Tee und einmal die Woche duschen. Du darfst auch nicht arbeiten, damit die Zeit schneller vergeht. Du hast pro Tag eine Stunde Hofgang, die restlichen dreiundzwanzig Stunden hängst du mit deinen Mitgefangenen – Schläger, Vergewaltiger, Drogendealer, was immer gerade so anfällt – in eurer kuscheligen Viererzelle herum, mit dem Klo hinter dem Plastikvorhang. Ja, guck mich ruhig groß an, ich übertreibe kein bisschen. Die Haftanstalt Hannover ist ein alter Muffkasten und nicht gerade für ihren Komfort bekannt. Darin sind schon andere Kaliber als du nach kurzer Zeit durchgedreht. Also erspar dir das lieber, und sag mir jetzt, was an diesem Ostermorgen da oben auf dem Berg los war.«
    Auch dieser Vortrag zeigt keinerlei Wirkung. Torsten zupft an seinen Nagelhäuten und wippt mit den Knien, aber er sagt nichts.
    »Gut, wie du willst.« Völxen steht auf und verlässt, gefolgt von Oscar, den Raum, vor dem ein junger Polizist in Uniform Wache hält.
    Nach einer Stunde der einseitigen Unterhaltung mit Ole Lammers muss sich Oda Kristensen schließlich eingestehen, dass sie auf Granit beißt. Seit man Ole im Streifenwagen in der PD abgeliefert hat, hat der Junge lediglich auf die Frage, warum Torsten denn geflohen sei, mit einem Schulterzucken und den Worten: »Keine Ahnung. Müssen Sie ihn fragen«, geantwortet.
    Und nun ist es ganz vorbei: Frau Cebulla ruft an und lässt sie wissen, dass die Mutter und der Rechtsbeistand im Flur warten. Der Anwalt wolle sofort seinen Mandanten sprechen.
    Oda begleitet den Jungen hinaus.

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