Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Totenflut

Titel: Totenflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bent Ohle
Vom Netzwerk:
ein zweites Mal versuchen? Wenn sie an einen anderen Türsteher geriet, würde der sie vielleicht reinlassen. Sie stand wie angewurzelt da und überlegte, haderte mit sich. Da rauschte plötzlich der Bus an ihr vorbei. Sie drehte sich um und sah, dass die Haltestelle leer war. Er brauchte nicht anzuhalten. Um diese Zeit fuhr niemand nach Hause, außer minderjährigen Mädchen, die nicht durch die Kontrolle gekommen waren. Sie begann zu laufen, doch es war aussichtslos. Bei diesem Wetter konnte der Busfahrer sie nicht im Rückspiegel sehen. Nach kurzem Abbremsen beschleunigte der Bus wieder und verschwand im Nebel. Völlig außer Atem stand sie an der Haltestelle und sah ihm hilflos hinterher. Ihr Gesicht war feucht und glänzte im kalten Licht der Straßenlaterne. Von der Disco drangen dumpfe Bässe herüber. Menschen konnte sie keine mehr erkennen. Außer ihr war niemand auf der Straße. Der nächste Bus würde erst in einer Stunde kommen, und Marie wollte auf keinen Fall so lange hier in der Kälte warten. Sie machte sich auf, zu Fuß nach Hause zu gehen.
    Bereits nach wenigen Schritten hatte der Nebel sie vollständig verschluckt. Es wurde noch kälter und Marie zitterte. Sie ging immer schneller und schneller. Sie wollte nach Hause, am liebsten hätte sie sich dorthin gebeamt. Sie wollte in ihr Zimmer und sich ins warme Bett kuscheln. Ihren kleinen Fernseher einschalten und irgendeinen albernen Film gucken, bis sie einschlief.
    Sie stoppte so abrupt, als sie das Brummen hörte, dass sie beinahe ausgerutscht wäre. Sie horchte nach allen Seiten, konnte aber nicht sagen, aus welcher Richtung das Geräusch kam. Vorsichtig machte sie drei Schritte nach vorn, und da sah sie einen schwachen Lichtschein im Nebel vor sich auftauchen. Es waren zwei verschwommene rote Kreise, die Rücklichter eines Autos. Der laufende Motor hatte das Brummen verursacht. Sie ging langsam näher. Das rote Licht brachte den Nebel zum Leuchten. Das Auto war nicht zu erkennen. Aber etwas anderes tauchte auf. Ein schwarzer Schatten. Marie starrte die schemenhafte Gestalt an und wusste: Sie war ein netter Mann oder eine nette Frau, die sie mitnahm und nach Hause brachte. Oder es war jemand, der ihr etwas antun wollte. Jemand, der nicht vorhatte, sie nach Hause zu bringen, sondern der sie dieser Welt entreißen und an einen dunklen Ort bringen wollte, von dem sie nie mehr zurückkehren würde.
    Kapitel 9
    Mike saß im Verhörraum des Polizeireviers. Seine Haare klebten nassgeschwitzt an seinem Kopf. Seine Augen waren gerötet und lagen tief in ihren Höhlen. Sein Gesicht glänzte fettig, und er blinzelte angestrengt durch den Zigarettenrauch, den Keller ihm ins Gesicht blies. Er war seit über vierundzwanzig Stunden in diesem Raum. Die Müdigkeit hing wie Blei an seinen Gliedern. Er war so erschöpft, so furchtbar erschöpft, dass er heulen musste. Er heulte mit offenem Mund, und Speichelfäden zogen sich über seine Lippen.
    Â»Sag mir, wie es war!«, rief Keller.
    Â»Ich kann nicht mehr!«, flehte Mike und krümmte sich zusammen.
    Â»Sag mir, wie es war!«, rief Keller noch lauter und schlug auf den Tisch. Mike raffte sich auf, als habe man ihn eben zusammengeschlagen.
    Â»Wir haben uns auf dem Feldweg getroffen. Sie war schon da, als ich kam. Dann bin ich zu ihr ins Auto, und wir haben miteinander geschlafen. Dann haben wir uns gestritten, und ich bin gegangen.«
    Â»Ich will die ganze Geschichte hören!«
    Â»Das war alles!«
    Â»Oh nein, das stimmt nicht! Sag mir, wie es war! Los, sag es! Sag mir, wie du sie umgebracht hast!«
    Â»Oh Gott, bitte! Bitte, lassen sie mich! Ich muss schlafen! Lassen sie mich doch!« Mike bettelte wie ein kleines Kind. Die Tür ging auf, und Trostmann kam herein.
    Â»Mach mal Pause«, sagte er zu Keller. Der stand auf und verließ den Raum. Trostmann setzte sich mit einem Stöhnen.
    Â»So, Mike, jetzt beruhige dich erst mal. Wir wollen dir nur helfen, Junge. Du steckst bis zum Hals in Schwierigkeiten. Das Mädchen ist verschwunden. Du warst bei ihr, und ihr hattet einen Streit. Deine Fingerabdrücke sind überall im Wagen, und dein Sperma haben wir auch.« Trostmann machte eine Pause und starrte Mike an, der sich kaum noch aufrecht halten konnte. Er schwankte wie ein Betrunkener auf seinem Stuhl.
    Â»Du warst bestimmt verliebt in sie, das glaub ich dir. Sie war ein hübsches

Weitere Kostenlose Bücher