Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenfrau

Totenfrau

Titel: Totenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
Vom Netzwerk:
aufwacht.
    Sie hat nach einem Platz in dieser kleinen Stadt gesucht, an dem sie ihn ungesehen niederschlagen kann. Am Westbahnhof, im Industriegebiet, in einer Tiefgarage, sie konnte sich nicht entscheiden, überall besteht die Möglichkeit, dass sie gesehen wird bei dem, was sie tut. Einen Stein auf seinen Kopf schlagen. Im Wald, in dem er sie fotografieren soll, von hinten, während er sich bückt, um etwas aufzuheben. In ihren Gedanken schlägt sie so fest zu, dass Blut aus seinem Kopf sprudelt. In Strömen über seine Stirn rinnt. Verzweifelt versucht sie, ihn auf die Transporttrage zu zerren, ihn in den Wagen zu heben. Alles blutverschmiert, er stöhnt, es gelingt ihr nicht, ihn hochzuheben, ein Jogger kommt den Weg entlang. Nein. Das war keine Option. Schönborn war zu schwer, bestimmt wog er hundert Kilo, sie musste ihn im Wagen ausschalten. Ohne ihn anzugreifen, weil er sich wehren würde, sie aus dem Auto zerren und auf sie einprügeln würde. So wie er es mit Dunja gemacht hatte, wenn ihm ihr Gesicht nicht gefiel an manchen Tagen. Ihn zu betäuben, ist die einzige Möglichkeit, die es gibt. Sie hat es gegoogelt. Wie es andere machen, Vergewaltiger, Mörder.
    Sie suchte nach etwas, das schnell wirkt. Etwas, das sie ihm oral verabreichen konnte, ohne dass er es merkte. Schlafmittel, irgendetwas, das sie in den nächsten zwanzig Stunden besorgen konnte, etwas, das legal war. Mit Drogen hatte sie nie etwas zu tun gehabt, sie kannte auch niemanden, der sich in diesen Kreisen bewegte. Es war aussichtslos. Zahlreiche Vergewaltigungsdrogen konnte man zwar tatsächlich online bestellen, doch die Zeit reichte nicht, der Versand dauerte bis zu fünf Tage. Blum fluchte. Sie wollte den Termin nicht verschieben, sie wollte Schönborn im Lauf erlegen, ihm keine Zeit zum Nachdenken lassen, er sollte an ihre Vagina denken, an sonst nichts. Er sollte keine Fragen stellen, keinen Verdacht schöpfen. Unmöglich schien es, trotzdem suchte sie den ganzen Abend lang nach einer Lösung. Wie besessen. Bis sich eine Seite öffnete, die ihr sagte, dass sie nur in ihre Garage musste.
    Felgenreiniger. Ein starkes Lösungsmittel für Klebstoffe. Butyrolacton, Ausgangsstoff zur Herstellung von Pharmazeutika und Drogen, unter anderem von GHB, einer gängigen Vergewaltigungsdroge, auch bekannt als Liquid Ecstasy. GBL. Ein Reinigungsmittel, für jeden frei erhältlich. Ein Liter für sechzig Euro. Blum hat darüber gelesen und weiß, dass es in der Garage steht. Seit Jahren. Hagen hatte das Lösungsmittel vor mehr als zehn Jahren gekauft, als Jugendliche Graffiti auf die Gartenmauer gesprayt hatten. Es steht ganz hinten bei den Winterreifen. Industriereinigungsmittel, das Hagen vor dem Herzinfarkt bewahrt hatte und von Jugendlichen als Droge missbraucht wurde. Eine Dröhnung für vierzehn Cent, das Billigste, was im Moment auf dem Markt war, legal zu erwerben. Blum liest den Artikel fertig und rennt nach unten. Die Wirkung ist dieselbe wie die von Liquid Ecstasy, der Kanister steht unscheinbar neben anderen Putzmitteln. Alles ist gut.
    Blum im Auto. Auf dem Weg zu ihm. Die Flasche auf ihrem Schoß. Ein klarer Schnaps in einer transparenten Flasche. Den grässlichen Geschmack hat sie mit Zucker und Red Bull übertüncht, sie hat so lange gepanscht, bis man den Lösungsmittelgeruch kaum noch wahrnehmen konnte. Beim GBL hat sie nicht gespart, die empfohlene Dosierung im Internet hat sie verdoppelt, sie will kein Risiko eingehen. Er muss nur einen Schluck nehmen, das reicht. Wenn er einsteigt, wird sie die Flasche an ihren Lippen ansetzen, sie wird so tun, als würde sie trinken. Dann wird sie sagen, er soll auch einen Schluck nehmen. Damit sie in Stimmung kommen, wird sie sagen. Sie wird ihm die Flasche hinhalten und beten, dass er es tut. Dass er trinkt. Edwin Schönborn. Sie kann ihn sehen. Wie er vor dem Theater steht. Ein schwarzer Fotokoffer neben ihm auf dem Boden. In zwanzig Sekunden wird die Tür aufgehen. Sie wird alles geben. Für Dunja. In zehn Sekunden. Für Mark.

19

Wie widerlich ein Mann sein kann. Wie vorhersehbar alles ist, wenn nur mehr die Triebe ihn lenken, Geilheit, Gier, Perversion. Schönborn. Blum hat ihn überrascht, brav nimmt er die Flasche, brav trinkt er und grinst. Ohne nachzudenken, ohne Fragen zu stellen. Widerwärtiges Schwein, denkt Blum und lacht ihn an. Der Schnaps in seinem Mund, die Flasche in seiner Hand und dieses Grinsen. Keine zwei Minuten vergehen, und er beginnt, das Gespräch vom Vortag

Weitere Kostenlose Bücher