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Totenfrau

Totenfrau

Titel: Totenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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fortzusetzen, er kann es nicht erwarten, er will über nichts anderes reden. Er muss zuerst sichergehen, dass alles beim Alten ist, dass sie es sich nicht anders überlegt hat. Unser Plan steht , fragt er. Blum nickt, sie lächelt wie ferngesteuert, sie zwingt sich, zu ignorieren, dass in jedem seiner Sätze etwas Anzügliches ist. Er versucht gar nicht erst, seine Lust zu verbergen. Im Gegenteil. Stört es dich, dass es mich anmacht? Wenn du masturbierst. Ich kann dir nicht versprechen, dass ich mich im Griff habe. Er lacht laut und nimmt noch einen Schluck aus der Flasche. Sein dreckiges Lachen, am liebsten würde Blum ihm wirklich einen Stein auf den Kopf schlagen, um dieses Lachen zum Verstummen zu bringen. Sie will, dass er still ist, dass er aufhört zu reden, sie will sich keine Sekunde lang vorstellen, dass er sie berührt. Dass er Fotos macht von ihr, dass sie sich ausziehen muss vor ihm. Keine Sekunde lang, deshalb fährt sie langsam. Auf Umwegen aus der Stadt hinaus. Sie beginnt, über Helmut Newton zu sprechen, den einzigen berühmten Fotografen, dessen Namen sie kennt. Ein belangloses Gespräch über Fotografie, sie will ihn bremsen, sein Anfangstempo drosseln, sie muss noch zehn Minuten durchhalten. Bis sie im Wald sind, bis dahin wird er sein Bewusstsein verloren haben, das GBL wird ihm den Boden unter den Füßen wegziehen. Zehn Minuten nur. Blum lächelt, sie gibt ihr Bestes, sie sieht sich bereits auf der Siegerstraße, da stellt er plötzlich diese Frage. Daran hat sie nicht gedacht, ihr Herz schlägt wild und laut. Warum hat sie das vergessen? Blum hasst sich dafür. Blitzschnell überlegt sie, jetzt heißt es aufpassen. Keinen Fehler machen. So natürlich es nur irgendwie geht, antwortet sie. Lügen, schnell, ohne Regung, ohne Zögern.
    – Das ist ein Leichenwagen, oder?
    – Ja.
    – Das ist abgefahren.
    – Man gewöhnt sich dran, glaub mir.
    – Warum fährst du einen Leichenwagen?
    – Gefällt er dir?
    – Warum du einen Leichenwagen fährst?
    – Weil ich es genauso abgefahren finde wie du. Ich habe ihn aus dem Internet.
    – Wer kauft sich freiwillig einen Leichenwagen?
    – Ich.
    – Einfach so?
    – Ich habe ihn in Amerika gekauft, anscheinend wurde Präsident Kennedy in diesem Wagen von Dallas nach Washington gebracht. Ich musste ihn einfach haben.
    – Du hast nichts mit Bestattungen zu tun?
    – Wie bitte?
    – Du fährst keine Leichen spazieren?
    – Bist du irre?
    – Liegt doch nahe, oder?
    – Das Einzige, das da hinten liegt, das bin ich. Ich komme gerade aus Sardinien, hier drinnen schläft es sich wunderbar.
    – Das würde ich gerne ausprobieren.
    – Ich verstehe nicht, warum alle solche Berührungsängste haben.
    – Ich habe keine.
    – Es ist nur ein Auto. Und ein Auto kann man waschen.
    – Dass früher Leichen damit transportiert wurden, stört dich also nicht?
    – Dich?
    – Nein. Der Wagen ist großartig.
    Egal, was Schönborn durch den Kopf ging, Blum bläst es weg. Sie fährt nach Igls, einem Vorort von Innsbruck, hinauf und wartet, bis es endlich so weit ist. Bis endlich sein Kopf nach hinten fällt. Doch der Kopf fällt nicht. Schönborn redet immer weiter, macht weiter zweideutige Scherze, er freut sich auf das, was gleich kommen wird, er schwärmt. Blum zählt die Sekunden, sie überlegt, ob sie umdrehen soll, ob sie im Dorfzentrum von Igls stehen bleiben soll. Zeit gewinnen. Sie will um keinen Preis mit diesem Mann alleine im Wald sein, sie muss eine Entscheidung treffen, sie sind bereits auf der Landstraße zwischen Igls und Patsch, der Wald umhüllt sie von beiden Seiten. Schönborn fragt, wo denn nun das Plätzchen sei, an dem sie sich ausziehen werde. Er ist wach. Er schläft nicht ein. Er redet. Er hört nicht auf, da zu sein. Es ist nicht mehr weit, sagt Blum. Sie weiß nicht, was sie tun soll, ob sie es riskieren soll weiterzufahren. Anhalten soll, aussteigen. Lange kann es nicht mehr dauern, trotzdem überschlagen sich die Bilder in ihrem Kopf. Wie sie versucht, es hinauszuzögern. Wie er ungeduldig wird und sie zu Boden stößt, sich auf sie legt, ihre Hose nach unten reißt. Ihren Kopf in den moosigen Boden drückt. Blum sieht es vor sich, trotzdem biegt sie ab. Sie kann nicht anders, sie muss es tun, sie fährt den schmalen Waldweg entlang und denkt an Mark. Wie er neben ihr sitzt und lacht. Wie er mit seinen wundervollen Fingern über ihre Wange streicht. Alles wird gut , sagt er. Dass er dieses Mal nicht Recht behalten soll, ahnt sie noch nicht.

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