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Totenfrau

Totenfrau

Titel: Totenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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wird weinen, sie weiß es. Sie wird beginnen, diese Männer zu hassen. Langsam, von Bild zu Bild mehr. In wenigen Stunden schon. Blum. Sie wird jetzt austrinken, aufstehen und Reza umarmen. Sie wird in die Altstadt spazieren und die Tür aufsperren. Ich muss noch etwas erledigen, sagt sie.

25

Karl geht es besser. Seit er die Kinder wieder in sein Leben gelassen hat. Er verbringt viel Zeit mit ihnen, er lacht wieder. Die Kinder sind wie Medizin, sie sind das einzig Schöne weit und breit. In Blums Leben, in seinem. Sie sind sich einig, wenn sie nebeneinander im Garten auf der Bank sitzen und ihnen zusehen. Uma und Nela. Marks Kinder. Ohne dass sie es wissen, sorgen sie jeden Tag dafür, dass das Boot nicht kentert, dass ihre Mutter aufsteht und in den Tag geht, dass Karl nicht einfach für immer liegen bleibt. Mark lebt in den kleinen Gesichtern weiter. Damit trösten sie sich, damit bringen sie sich davon ab, aufzugeben.
    – Du arbeitest wieder, das ist gut. Das ist sehr gut.
    – Danke, Karl, dass du mir mit den Kindern hilfst.
    – Sie helfen mir.
    – Was täte ich ohne dich?
    – Sag das nicht.
    – Warum nicht?
    – Weil es umgekehrt ist. Was täte ich ohne dich? Wenn ihr mich nicht aufgenommen hättet, würde ich jetzt in irgendeinem Heim dahinsterben.
    – Lassen wir das.
    – Du weißt, dass es so ist, Blum.
    – Du gehörst zu uns, wir lieben dich, Karl.
    – Und wer liebt dich?
    – Ihr.
    – Irgendetwas beschäftigt dich doch.
    – Du sollst dir keine Sorgen machen, Karl. Es geht mir gut.
    – Irgendetwas ist, ich kenne dich. Es hat mit dieser Frau zu tun.
    – Ach, Karl.
    – Ich weiß, dass ich Recht habe.
    – Oh oh, der Bulle kommt wieder durch.
    – Was ist mit ihr?
    – Was soll mit ihr sein?
    – Sie ist weg, ohne sich zu verabschieden.
    – Und? Es gibt nichts, das dich beunruhigen sollte, Karl, es ist alles in bester Ordnung, Dunja ist eine Freundin von früher. Sie ist immer schon gekommen und gegangen, wie sie wollte.
    – Blödsinn.
    – Was, Blödsinn?
    – Sie ist keine Freundin von dir. Du kennst sie kaum.
    – Lass gut sein, Karl, bitte.
    – Ich kann dir helfen.
    – Du kannst mir helfen, indem du nach den Kindern schaust. Um alles andere kümmere ich mich selbst.
    – Irgendetwas stimmt hier nicht, ich kann es riechen.
    Blum kann sich vorstellen, wie er war, bevor ihn die Zecke zu einem alten Mann gemacht hat. Unerbittlich, selbst ein Blutsauger, einer, der nicht aufhört zu bohren, der so lange nachfragt, bis die Wahrheit ans Licht kommt. Er war ein guter Polizist, hat Mark gesagt, von ihm hat er alles gelernt. Sein Gespür, seine Beharrlichkeit. Karl. Sie wird ihm nichts sagen, ihn nicht einweihen, ihn nicht in Gefahr bringen. Auch wenn Blum weiß, dass er sie nie verraten und verurteilen würde, sie schweigt. Sagt nichts, lässt ihn mit seinem dunklen Gefühl allein. Blum nimmt seine Hand und drückt sie. Ohne weiterzureden, bleiben sie nebeneinander sitzen. Karl kennt sie, ihre Sturheit, ihren Dickschädel, er weiß, dass sie ihm nichts sagen wird. Er kennt sie lange genug. Er hat sie lieben gelernt, mit allem, was sie ist. Was sie nicht ist. Sie wird schweigen, ihm nicht sagen, dass sie einen Menschen getötet hat, dass sie ihn zerstückelt und vergraben hat. Sie wird ihm nicht sagen, dass dieser Mensch wahrscheinlich Marks Mörder war. Und dass es noch vier andere gibt. Nichts davon. Nur ihre ineinander verschränkten Finger. Blums Hand in seiner muss reichen, er muss ihr vertrauen. Karl.
    Wie froh sie ist, dass er da ist. Für die Kinder, während sie arbeitet. Während sie weitersucht. Wie besessen. Nach diesen Männern, nach einem von ihnen, nach einem Anhaltspunkt. Die Kinder. Karl kocht für sie, er bringt sie ins Bett, er liest ihnen vor. Diese Männer. Irgendwo müssen sie sein, irgendwie wird Blum sie finden. Auch wenn sie weniger als nichts weiß, sie wird sie aufstöbern, sie dazu bringen zu reden. Alle vier. Dunja wird endlich in Sicherheit sein, Blum wird dafür sorgen. Verzweifelt überlegt sie. Sie weiß nicht, wo sie anfangen soll, auf welchem Kontinent sie die Stecknadeln suchen soll. Es kann überall sein, es kann jeder sein. Männer zwischen dreißig und sechzig, wahrscheinlich unscheinbar und freundlich, wahrscheinlich würde niemand auf der Welt nur eine Sekunde lang vermuten, dass sie etwas derart Abartiges tun könnten. Weiße Schafe, unschuldig, irgendwo auf einer Weide fressen sie Gras. Wahrscheinlich führen sie ein ganz normales Leben, wahrscheinlich

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