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Totenfrau

Totenfrau

Titel: Totenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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unterwegs. Sie war zu schnell, zu laut. Ohne nachzudenken. Sie hasst sich dafür, sie will die Kontrolle zurück, das Ruder wieder in die Hand nehmen, sie darf kein Risiko mehr eingehen. Ab jetzt nie wieder. Kein Risiko mehr. Keine Minute länger. Deshalb tut sie es. Sofort. Sie will, dass er aufhört zu schreien. Dass niemand ihn mehr hören kann. Ihn einfach still machen. Sofort.
    Fünfmal schlägt sie zu. Schnell hintereinander, keine Zeit, sich zu beruhigen. Zuschlagen. Keine Kontrolle mehr. Mit dem Wagenheber, mit voller Wucht auf seinen Kopf. Bis er still ist. Einmal. Noch bevor er begriffen hat, was vor sich geht, trifft sie ihn. Ein zweites Mal. Ein drittes Mal. Sie hat kein Mitleid, sie holt aus. Ein viertes Mal. Mit voller Wucht. Ein dumpfes Geräusch, Metall auf Haut und Knochen. Ein fünftes Mal. Sein Kopf voller Blut, es stinkt erbärmlich. Schnell schiebt Blum den Deckel wieder auf den Sarg und schraubt ihn zu. Bertl Puch schreit nicht mehr. Einen Augenblick lang scheint alles in Ordnung zu sein. Sie schließt den Kofferraum und dreht sich um. Ein kleiner Rastplatz an der Autobahn. Blums Herz rast. Nichts ist in Ordnung. Blum starrt geradeaus. Blum ist nicht allein.

38

Man sieht alles von oben. Den Parkplatz, den Leichenwagen, daneben eine Frau am Boden. Ihr Gesicht auf dem Asphalt, sie liegt, sie bewegt sich nicht. Ihr Mund steht offen, die Sonne scheint. Sie rührt sich nicht, sie kann nicht, sie will nicht, es geht nicht. Ihre Augen sind offen, sie schauen ins Leere, sie halten sich nirgendwo fest, alles löst sich auf. Zusammengekrümmt ihr Körper. Sie kann nirgendwo mehr hin, keinen Meter mehr, sie bleibt einfach liegen. Es geht nichts mehr. Neben der Autobahn, wie ein Kind, dem kalt ist, das darauf wartet, zugedeckt zu werden. Sie hat sich einfach niedergelegt. Blum. Hilflos und allein.
    Immer weiter Richtung Abgrund. Er war plötzlich da. Blum hatte nicht bemerkt, wie er auf den Parkplatz gekommen ist. Er hat alles gesehen. Wie sie Bertl Puch zum Schweigen gebracht hat. Ein Mann. Er ist in seinen Wagen gesprungen, als sie sich umgedreht hat. Mit Vollgas auf die Autobahn, Blum hatte keine Gelegenheit mehr zu reagieren, sie konnte nichts mehr tun. Das Schicksal hat ihr einfach in den Magen getreten. Mit voller Wucht trifft sie die Tatsache, dass jemand sie dabei beobachtet hat, wie sie einen Menschen umgebracht hat. Mit Gewalt, ohne Zögern. Er hat alles gesehen.
    Ein Zeuge. Irgendwer. Ein Fremder. Jemand, den sie kennt. Blum weiß es nicht. Ein Autofahrer, der Pause machen wollte, der sich erleichtert hat. Vielleicht auch einer, der wusste, was passieren würde. Er ist weggefahren, er hat sie alleine zurückgelassen. Mit dem blutüberströmten Bertl Puch und diesem Gefühl im Magen, dieser schrecklichen Ohnmacht. Blum weiß nicht mehr, wo links ist, wo rechts, was sie tun soll. Was gut für sie ist, was schlecht. Keine Hilfe, nur Ohnmacht. Keine Kontrolle mehr. Und dieser Schmerz, der sie in die Knie zwang. Wie ein Schlag. Plötzlich war da keine Kraft mehr. Blum war klein und schwach. Hagen, der sie zwang, den nächsten Schritt zu tun. Da war keiner, der ihr sagte, dass alles gut werden würde. Nichts würde einfacher sein, als ihren Wagen zu beschreiben. Es würde nicht länger als ein paar Stunden dauern, bis jemand vor ihrer Tür stehen und alles für immer kaputt machen würde. Uma und Nela, die schreien, wenn sie in den Streifenwagen steigt. Ihre Gesichter, die fragenden Augen, ihre Arme, die sie aufhalten wollen, helfen. Blum sieht es vor sich. Was kommen wird. Wie sich alles auflöst, vor ihren Augen verschwimmt.
    Blum zittert. Sie liegt am Boden. Sie hat auf ihn eingeschlagen. Sein Kopf ist zertrümmert. Blut, Kot und Urin. Sie muss aufstehen und sich darum kümmern, sie muss weiterfahren. Sie muss das Schlimmste abwenden, es nicht noch schlimmer machen. Sie muss die Uhr zurückdrehen, so gut es geht, alles in einem Grab verschwinden lassen. Bertl Puch. Sie muss zu den Kindern, sie muss sie festhalten, ihnen sagen, dass sie sie liebt, sofort. Sie küssen, mit ihnen lachen, so tun, als wäre alles gut. Sie muss. Hoffen, dass nichts passieren wird. Dass nichts sie trennen wird. Alles dafür geben. Alles dafür tun. Lügen, abstreiten, auch töten. Egal was, Blum wird jetzt aufstehen und in das Auto steigen. Sie wird den Geruch ignorieren und nach Innsbruck zurückfahren. Sie wird sich in den Versorgungsraum zurückziehen. Bertl Puch wird verschwinden. Sie wird den Sarg reinigen und alles

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