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Totenfrau

Totenfrau

Titel: Totenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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er das kleine Paket. Fast luftdicht verschlossen der Arm von Bertl Puch. Reza verpackt ein Körperteil nach dem anderen, Stück für Stück verschwindet er, während Blum Reza die ganze Geschichte erzählt, von Anfang an. Die Gesprächsaufzeichnungen, Dunja im Supermarkt, Schönborn im Wald, Jaunig am Boot, Dunja in der Gerichtsmedizin, das Video von dem singenden Schauspieler, der Mann auf dem Parkplatz. Alles, was passiert ist. Eine Horrorgeschichte. Ein Albtraum, aus dem Blum nicht mehr aufwacht. In den sie Reza mit hineinzieht. Mit Anlauf in ein Becken ohne Wasser. Immer wieder seit Wochen. Und Reza springt mit ihr. Hand in Hand auf drei. Weil es keine andere Möglichkeit gibt, auch für Reza nicht. Ich bin für dich da , sagt er. Ohne Zögern kommt es. Er stellt sich auf die Situation ein, da ist keine Regung in seinem Gesicht, mit aller Ruhe verpackt er den Kopf des Kochs. Er hat keine Angst. Er tut es einfach. Mit aller Wucht wirft er den Kopf zu den anderen Päckchen in der Ecke.
    – Wir schaffen das, Blum.
    – Es tut mir so leid, Reza. Ich wollte dich wirklich nicht mit hineinziehen in das Ganze.
    – Was auch immer, Blum. Ich bin hier.
    – Ich habe drei Menschen umgebracht.
    – Bei mir waren es zehn.
    – Du verurteilst mich nicht?
    – Nein, Blum. Wir bringen den hier jetzt unter die Erde, und dann kümmern wir uns um diesen Schauspieler.
    – Wir?
    – Ja, wir. Du und ich.
    – Danke, Reza. Du bist wundervoll.
    – Sag das nicht.
    – Doch, Reza. Es tut so gut, über all das zu reden. Dass du mir helfen willst. Auch wenn es verrückt ist, dass du es tust. Ich an deiner Stelle würde davonlaufen. Weit weit weg.
    – Ich würde niemals zulassen, dass dir etwas passiert.
    – Und der Mann auf dem Parkplatz? Er hat bestimmt die Polizei gerufen.
    – Alles wird gut, Blum.
    Reza. Jetzt. Er sagt es, und es fühlt sich gut an. Er steht vor ihr, er berührt sie mit seinen Händen im Gesicht. Liebevoll, zärtlich. Kaum spürbar seine Handinnenflächen auf ihren Wangen. Reza. Wie er ihr Mut macht, sie beruhigt, sie aufwecken will aus ihrem Albtraum. Ihr sagt, dass es weitergeht, dass das Leben, so wie es ist, nicht aufhören wird. Dass Uma und Nela ihre Mutter nicht verlieren werden. Irgendwie werden sie das hinbekommen, sagt er. Reza und Blum im Versorgungsraum. Der Rumpf noch in Teilen auf dem Tisch. Die Nähe, die da plötzlich ist, die Vertrautheit, die Verbundenheit. Der Koch, der sich zunehmend auflöst, und die Hilfe, die da plötzlich ist, die guttut. Reza. Überall Leichenteile und Blut. Still stehen sie da und schauen sich an. Ohne viel Worte zwei Mörder.

40

Ein paar Stunden lang ist alles gut. Dieses Gefühl, dass sie nicht allein ist, die Hoffnung, dass sie das Schlimmste haben abwenden können. Gemeinsam. Auf Blums Sofa, im Wohnzimmer oben. Blum und Reza. Sie hat ihn nach getaner Arbeit mit nach oben genommen. Sie haben noch etwas gegessen, eine Flasche Wein aufgemacht. Sie haben sich unterhalten. Lange. Nur er und sie. Die Kinder schlafen, Karl bringt die Arbeit im Garten zu Ende. Fast ist alles wieder normal. Fast ist es wieder zurück. Ein leises, kleines Gefühl. Geborgenheit. Etwas, das sie dazu bringt, Reza festzuhalten, ihn nicht gehen zu lassen. Nebeneinander sitzen sie auf dem Sofa, müde. Reza legt irgendwann seinen Kopf nach hinten und macht seine Augen zu. Er ist noch wach, als Blum sich an ihn schmiegt. Nur ihr Kopf, der an seiner Brust zum Liegen kommt. Nur ihre Hand, die sich sanft an ihm festhält. Nur ein Freund, der für sie da ist. Ein Freund, der sie auffängt, der sie aus der Luft holt, sie davor beschützt, auf dem Beckenboden aufzuschlagen. Sanft landet sie. Er berührt sie nicht, seine Hände bleiben liegen, wo sie sind. Er nimmt sie einfach nur auf. Ein Gast an seinem Körper, Blum.
    Wie dankbar sie ist. Wie gut es sich anfühlt. Wie Rezas Brust sich hebt und wieder senkt. Er ist eingeschlafen. Blum liegt einfach nur da und spürt ihn, riecht ihn. Sie will wach bleiben. Diese Verbundenheit, diese Nähe, seine Zurückhaltung. Alles, was ihr vertraut ist und fremd. Sie kennt ihn seit Jahren. Er ist die treue Seele, ein Mitarbeiter, ein Freund. Ihn zu berühren wäre ihr nie in den Sinn gekommen, sich in seine Arme zu legen. Reza ist scheu. Reza ist wie ein wildes Tier, das sich im Wald versteckt. Kein Wort zu viel. Still alles. Wie ein Schatten ist er. Ein Schatten, in dem sie sich versteckt.
    Nebeneinander auf dem Sofa. Draußen hört man Karl, wie er den Rasen mäht. Es

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