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Totenfrau

Totenfrau

Titel: Totenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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hast keine Alternative.
    – Warum tun Sie das?
    – Warum hast du das alles getan?
    Platz zweihundertvier. Blum stellt den Motor ab. Es gibt keine Kameras, die auf diesen Platz gerichtet sind. Ein toter Winkel. Der ideale Platz, um den Schweinezüchter einzuladen, selbst sein Schicksal zu besiegeln. Bertl Puch. Wie er hinter dem Wagen steht und zweifelt. Er steht nur da und überlegt. Er atmet in das Telefon, Blum kann ihn hören. Den Koch. Das widerliche austernschlürfende Dreckschwein. Wie er dasteht und nach einem Ausweg sucht. Zehn Sekunden lang passiert nichts, da ist nur sein Atmen. Er spricht nicht. Er wartet ab, was passieren wird. Bertl Puch hinter dem Wagen, kurz davor wegzurennen. Oder anzugreifen. Zehn Sekunden lang Verzweiflung und Wut, Blum kann es hören, sie kann es sehen. Zehn Sekunden wie eine Ewigkeit. Weil sie nicht will, dass ihr Plan scheitert, dass er sich umdreht und wegrennt, beschließt sie, nicht länger zu warten, ihm keine Gelegenheit mehr zu geben, einen Ausweg zu finden. Blum dreht den Schlüssel um und legt den Rückwärtsgang ein. Du hast es so gewollt , sagt sie ins Telefon und legt auf.
    Panik. Der Koch springt zur Seite, er will sie aufhalten, er will nicht, dass sie wegfährt. Er klopft mit seiner Handfläche gegen die Scheiben. Er schreit, er will, dass sie bleibt. Blum bremst. Sie dreht ihren Kopf zur Seite und schaut ihn an. Ein Lächeln ist auf ihren Lippen. Hab keine Angst. Steig einfach ein und vertrau mir. Ein huldvolles Lächeln. Weil er sein Telefon auf das Autodach legt und seine Arme in die Höhe hebt. Ich mache, was du willst , sagen diese Arme. Ich ergebe mich, ich werde tun, was du mir sagst, ich will nicht, dass es vorbei ist. Noch nicht, ich will wissen, wie es weitergeht, was du mit mir vorhast. Ich will noch eine Chance. Ich werde eine Gelegenheit bekommen, dich zu töten. Deshalb steige ich in den verdammten Sarg, du kranke Schlampe. Das sagen seine Arme, seine Augen, sein Mund. Wie er durch die Scheibe starrt. Wie sein Telefon auf dem Autodach liegen bleibt und sich der Kofferraumdeckel öffnet. Wie er sich in den Sarg legt. Ohne Widerstand. Wie das Lamm zur Schlachtbank geht. Pertl Buch. Er wehrt sich nicht, weil er weiß, dass es sinnlos ist. Er muss abwarten, tun, was Blum sagt. Kein Laut, er darf nichts sagen, nicht reden. Blum legt ihren Zeigefinger an die Lippen, kurz bevor sie den Deckel schließt. Kein Wort , sagt sie. Dann schraubt sie zu. Ohne Hilfe kann er den Sarg nicht mehr verlassen. Es ist Blums bestes Modell, eine massive Nussholztruhe, ein Prachtstück für zweitausendfünfhundert Euro.
    Eine Tiefgarage irgendwo in Wien. Blum setzt sich wieder ans Steuer und fährt los. Nichts bleibt zurück. Bertl Puch ist verschwunden. Niemand außer Blum wird ihn wiedersehen, er wird verschollen bleiben, für immer. Sie werden nach ihm suchen, sie werden alles auf den Kopf stellen, aber sie werden ihn nicht finden. Niemand weiß, dass sie ihn kennt, dass sie etwas mit ihm zu tun hat. Niemand wird Blum verdächtigen, keiner kennt die Wahrheit, keiner will wissen, dass die unbekannte Tote in der Gerichtsmedizin nicht einfach nur ertrunken ist. Ihre Geschichte will niemand hören. Nur Blum. Sie und diese Männer. Der Koch, der Schauspieler und der Clown. Nur sie wissen, was wirklich passiert ist. Niemand sonst, kein Notar, kein Stoßtrupp, der von hinten kommt, wenn es gefährlich wird. Kein Sicherheitsnetz. Blum ist allein. Sie wollte ihren Worten nur Nachdruck verleihen, sie hatte das so oft im Fernsehen gesehen, in Büchern gelesen. Wenn man nichts von mir hört, werden die Hunde losgelassen. Meine Lebensversicherung liegt in einem Schließfach. Ein Scharfschütze zielt auf dich. So einfach ist das. Sie hat ihn eingeschüchtert mit dem, was sie ihm an den Kopf geworfen hat, mit dem, was sie weiß. Die Wirklichkeit hat ihm Angst gemacht. Das, was er getan hat, hat ihm jeden Ausweg genommen. Bertl Puch ist freiwillig in einen Sarg geklettert. Bertl Puch fährt die linke Wienzeile entlang. Bertl Puch wird sterben.

37

Nachmittag. Kurz vor Linz. Über eine Stunde lang hat er geschrien, mit Fäusten an den Sargdeckel geschlagen. Blum hört Musik, laut singt Freddie Mercury gegen Bertl Puch an. The Show Must Go On . Laut über die Autobahn. Laut der Sarg hinter ihr. Bis der kleine Fernsehkoch begreift, dass der Wagen nicht stehen bleiben wird, dass sein Schreien sinnlos ist. Kurz nach St. Pölten hört man nur noch Freddie, im Sarg ist es still. Kein Aufbäumen

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