Totenfrau
nimmt sich einen Stuhl und setzt sich zu ihr, so wie Blum es vor zwei Wochen getan hat. Er legt den Umschlag vor sie hin. Dann lehnt er sich zurück und streckt sein Gesicht in die Sonne.
– Sie stecken in der Scheiße.
– Nein. Ich sitze unter einem Kirschbaum. Es ist schön hier.
– Sie haben richtige Probleme am Hals, mein Fräulein.
– Hab ich die?
– Ja, so ist es. Und deshalb wäre es jetzt besser für Sie, wenn Sie den Mund aufmachen.
– Was wollen Sie?
– Sie sagen mir jetzt, wo mein Sohn ist. Oder ich gehe mit den Bildern zur Polizei.
– Welchen Bildern?
– Denen im Umschlag.
Blum nimmt ihn. Fotos von einer Frau. Einen Wagenheber in der Hand. Man sieht ein Auto, der Kofferraum ist offen. Man sieht einen Sarg und die Frau, wie sie zuschlägt. Blum. Dreißig oder vierzig Bilder, eine Dokumentation ihrer Wut. Alles, was passiert ist, auf Papier. In Farbe der Mord an Bertl Puch. Blum und die Bilder unter dem Kirschbaum. Johannes Schönborn ihr gegenüber. Blum sieht sich die Bilder an, sie weiß nicht, was sie sagen soll. Sie weiß nicht, wie dieser Mann zu den Bildern kommt. Ob er es ist, der sie fotografiert hat. Er oder einer von Schönborns Schergen, ein Privatdetektiv. Jemand, der sie beobachtet hat, der ihr nachgefahren ist. Jemand, der gesehen hat, wie sie aus Bertl Puchs Wohnung gekommen ist, wie sie ihn in der Tiefgarage bedrängt hat. Wie sie die Kontrolle verloren hat. Blum. Ohne Worte. Sie bekommt kaum Luft. Die Kinder tollen herum, Schönborn beugt sich zu ihr. Blum versucht, sich zu fassen, zu reagieren, sich etwas einfallen zu lassen. Sie taumelt. Fast fällt sie erneut. Mit aller Kraft hält sie sich oben.
– Sie sagen mir jetzt, wo mein Sohn ist.
– Sie sollen mich in Ruhe lassen.
– Keiner weiß etwas, niemand hat ihn gesehen. Er ist wie vom Erdboden verschluckt.
– Gehen Sie weg.
– Ich habe ihn als vermisst gemeldet, aber auch die Polizei hat keine Ahnung. Sie können nichts tun, sein Reisepass ist weg. Sie sagen, alles sehe danach aus, als sei er verreist. Aber er ist nicht verreist. Ich weiß das.
– Es ist mir egal, wohin Ihr verdammter Sohn verschwunden ist.
– Ich weiß, dass Sie etwas damit zu tun haben. Sie sollten dafür beten, dass er wohlauf ist.
– Sie haben mich beobachten lassen.
– Genau. Und so wie es aussieht, war das eine sehr gute Idee. Meine Nase hat mich noch nie getäuscht.
– Verschwinden Sie. Nehmen Sie Ihre Scheißbilder und hauen Sie ab. Ich will Sie hier nicht haben. Nicht in meinem Garten, nicht bei meinen Kindern.
– Ich werde so lange bleiben, bis Sie mir sagen, wo mein Sohn ist.
– Gehen Sie jetzt.
– Wenn ich jetzt gehe, marschiere ich direkt zur Polizei. Wollen Sie das?
– Ich habe nichts getan.
– Das schaut aber auf den Fotos ganz anders aus.
– Nach was schaut es denn aus?
– Dass Sie jemanden umgebracht haben.
– Das Einzige, was man hier sieht, ist eine Frau mit einem Wagenheber.
– Sie haben zugeschlagen.
– Ich war wütend, ich hatte eine Reifenpanne, der Radwechsel war schwierig.
– Sie haben ihn umgebracht.
– Wen?
– Bertl Puch.
– Blödsinn.
– Er war in dem Sarg.
– Sagt wer?
– Der Mann, der die Fotos gemacht hat.
– Der Mann lügt.
– Er hat gesehen, wie Bertl Puch in derselben Tiefgarage verschwunden ist, in die Sie reingefahren sind.
– Zufall. Ich kenne keinen Bertl Puch.
– Er war ein Freund meines Sohnes. Das ist kein Zufall. Jaunig ist tot, Puch ist tot. Ich will wissen, was Sie mit meinem Sohn gemacht haben.
– Warum gehen Sie nicht einfach zur Polizei? Lassen Sie sich helfen. Hier sind Sie falsch. Ich habe mit all diesen Menschen nichts zu tun. Gar nichts.
– Sie waren in Puchs Wohnung.
– War ich das?
– Die Fotos zeigen doch, dass Sie in das Haus gegangen sind, in dem er wohnt.
– Schon wieder ein Zufall.
– Er ist tot, nicht wahr?
– Wer?
– Mein Sohn.
– Wenn Sie unbedingt meinen.
– Ich werde Sie fertigmachen. Ich werde Ihnen alles nehmen. Ihr Haus, Ihre Kinder, Ihr Leben. Sie werden dafür bezahlen.
– Werde ich das?
– Ja.
– Das glaube ich nicht. Und wissen Sie, warum? Weil Sie ein machtgeiler alter Mann sind. Sie werden es nicht zulassen, dass ein Skandal Sie aus der Bahn wirft. Sie wollen Landeshauptmann werden, ich weiß das. Sie werden nichts riskieren. Und außerdem wissen Sie, dass Ihr Sohn ein Dreckschwein ist.
– Also lebt er noch?
– Keine Ahnung. Auf alle Fälle möchte ich Ihnen gerne etwas zeigen. Warten Sie
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