Totenfrau
Barmöbeln, er hält Blum fest, ihr Kopf liegt auf seiner Schulter. Sie sind schön zusammen.
Die Treppe nach oben, noch eine Flasche Wein in der Hand. Sie gibt Sicherheit. Durch die Tür in das kleine Zimmer. Reza und Blum. Wie sie kurz im Bad verschwindet und er sich auf das Bett setzt. Wie es Nacht ist in Bogenhausen. Wie Blum aus dem Bad kommt. Wie sie vor ihm steht. Reza rührt sich nicht. Er hält die Flasche Wein fest. Sagt nichts. Tut nichts. Er schaut sie nur an. Blum. Nackt.
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Nur sie spricht. Benjamin Ludwig muss zuhören. Wenn er den Mund aufmacht, ist eines seiner Kinder tot. Dass Blum es ernst meint, hat er gesehen. Reza hat in den Baum geschossen, der neben Ludwig steht. Eine Kugel in den Stamm. Verletzte Rinde, nur ein kurzer Einschlag, kaum hörbar, aber genug, um Benjamin Ludwig das Gefühl zu geben, dass die beiden Fremden auf dem Hügel es ernst meinen. Sie werden auf eines seiner Kinder schießen. Auf beide. Wenn er nicht still ist. Nur zuhören. Blum sagt ihm, was er zu tun hat, in allen Einzelheiten, sie lässt keinen Zweifel offen, dass sie es ernst meint. Sie sagt ihm, was sie weiß, sie legt die Karten auf den Tisch. Mit wenigen Worten macht sie ihm große Angst. Zuerst töte ich den Jungen , sagt sie. Dann das Mädchen. Dann deine Frau. Dann dich.
Familienglück im Garten. Reza und Blum haben nicht lange warten müssen. Ludwig ist vor zehn Minuten aufgetaucht, kurz nachdem sie wieder bei ihrem Baum angekommen waren. Fünf Minuten haben sie auf das Haus gestarrt, dann sind die Kinder und seine Frau aus dem Wagen gestiegen. Die Kinder liefen zur Schaukel. Seine Frau verschwand im Haus.
Wie angewurzelt steht Ludwig da, die Kinder rufen nach ihm, sie wollen, dass er zu ihnen kommt, sie in die Höhe schaukelt. Der gute Vater, der sich um seine Kinder kümmert. Der gute Vater, der ein Kind vergewaltigt hat. Youn. Er war siebzehn, als er in den Keller kam. Youn und Ludwig. Blum hat es sich noch einmal angehört. Alles, was Dunja über ihn erzählt hat, alles über den Jäger. Was er ihnen angetan hat. Benjamin Ludwig. Er hört zu, was Blum sagt. Das Telefon am Ohr, sucht er den Hang ab, er sagt nichts, kein Wort. Er hört nur zu, er will nicht, dass noch ein Schuss fällt. Eine Pistole mit Schalldämpfer, niemand hat es gehört, keiner kann ihm helfen. Da ist nur Blums Stimme, die ihm sagt, dass er eine Tasche packen und seinen Pass mitnehmen soll. Dass er sich verabschieden soll von seiner Frau und den Kindern. Irgendetwas soll er sich einfallen lassen, einen Grund erfinden für seinen spontanen Aufbruch. Lüg sie an , sagt Blum. Du gehst jetzt ins Haus, packst deine Sachen, verabschiedest dich und kommst wieder heraus. Dann steigst du in deinen Scheißwagen.
Blum hat kaum Luft bekommen, als sie ihn gesehen hat. Als er die Straße heraufgekommen ist. Der Rover. Er ist wieder da. Damit hat sie nicht gerechnet, dass sie ihn wiedersehen wird, dass dieser Wagen nicht einfach verschwunden ist. Wie er vor dem Haus steht. Wie die Kinder von den Rücksitzen geklettert sind. Dieser Mann mit dem Telefon in der Hand. Ludwig. Wie Blum auflegt und Ludwig im Haus verschwindet, ein paar Minuten lang bleiben Reza und sie allein. Da ist Wut. Und Hass. Und plötzlich die Antwort auf eine Frage. Wer gefahren ist. Wer Mark getötet hat. Nach einer schönen Nacht die Gewissheit, dass es kein Traum war, dass es diesen Wagen wirklich gibt, verborgen in Bayern, Teil einer heilen Welt. Vor ihr. Wie er die Straße heraufkommt.
Der Mörder ihres Mannes. Er sitzt vor ihr, auf dem Rücksitz liegt eine Reisetasche. Ludwig hat getan, was sie ihm gesagt hat. Nach vier Minuten ist er wieder aus dem Haus gekommen, seine Frau stand in der Tür und winkte ihm nach. Benjamin Ludwig wollte weg, so schnell es ging, er musste die Kinder aus dem Schussfeld bringen, sie beschützen, seine Frau. Er musste tun, was Blum sagte. Er ist stehen geblieben, und sie sind eingestiegen. In Rezas Hand die Pistole. Wo er sie herhat, weiß Blum nicht. Sie haben darüber gesprochen, und schon war sie da. Ich kümmere mich darum , hat Reza gesagt. Jetzt liegt die Waffe in seiner Hand und bringt Benjamin Ludwig dazu, in Richtung Starnberg zu fahren. Immer noch muss er schweigen, Blum will nichts hören, keine Lügen, keine Ausreden, sie will ihn nicht betteln hören, nicht wimmern und jammern. Kein Wort. Nur die Pistole in seinem Rücken. Reza und Blum nebeneinander. Und das, was war.
Die ganze Nacht lang. Ihr nackter Körper an seinem. Sie hat
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