Totengeld (German Edition)
langsam bewegte, fluoreszierten einige Flecken intensiver als andere.
»Mehrere Spender?«, fragte ich.
» Wir brauchen DNS zur Bestätigung«, sagte Larabee. »Aber das ist mein Eindruck.«
» R eden wir vonVergewaltigung?« Slidells Mund war direkt an meinem Ohr.
»Ich habe keine Risse oderAbschürfungen imVaginalbereich gefunden. Kein Hinweis auf ein anales Eindringen.«
»Also sind wir wieder bei meiner erstenVermutung.« Ich hörte, wie Slidell sich aufrichtete. »Das Mädchen ging auf den Strich.«
Ich verkniff mir eine Erwiderung.
Larabee schaltete die Lampe aus. »Bitte Licht wieder an.«
Slidell betätigte den Schalter.
»Glauben Sie, Sie können ihr mutmaßlichesAlter weiter eingrenzen?«, fragte mich Larabee, während das Neonlicht wieder ansprang.
»Hat Joe schon Zahnaufnahmen gemacht?« Ich meinte Joe Hawkins, den erfahrensten unsererTechniker.
Larabee deutete auf einen braunen Umschlag, der auf einem Lichtkasten auf derArbeitsfläche lag.
Ich ging hin und schüttelte die kleinen schwarzen Quadrate auf die Glasplatte des noch dunklen Lichtkastens. Nachdem ich ihn eingeschaltet hatte, arrangierte ich dieAufnahmen anatomisch und betrachtete das erleuchtete Gebiss.
»Alle vier zweiten Backenzähne zeigen normalen Gebissschluss, die Wurzeln sind bis in die Spitzen komplett ausgebildet. Das heißt, sie war über zwölf. Die dritten Backenzähne sind noch nicht durchgebrochen und zeigen minimale Wurzelentwicklung. Ich bin keine Odontologin, aber ich würde sagen, sie ist im Bereich zwischen dreizehn und siebzehn.«
Die Männer warteten, während ich weiter die R öntgenaufnahmen studierte.
»Am ersten linken Backenzahn zeigt sich ein üblerAbszess. Insgesamt viel Karies, aber keine einzige Füllung.«
»Kein Hinweis darauf, dass sie je bei einem Zahnarzt war.« Larabee verstand, was ich meinte.
»Also muss ich mir nicht denArsch aufreißen, um nach einem Zahnstatus zu suchen.« Slidell stemmte die Hände in die Hüften. »EinAbszess. Der muss doch höllisch wehgetan haben, oder?«
»Leute haben unterschiedliche Schmerzschwellen«, sagte Larabee. »Aber wahrscheinlich ja.Woran denken Sie?«
»Vielleicht war sie in einer dieser freien Kliniken. Sie wissen schon, um sich Medikamente zu besorgen oder sonst was.«
»Gute Idee, Detective.«
Wie ein Spielzeug, das man per Post zugeschickt bekommt, muss auch das menschliche Skelett noch zusammengebaut werden. Die meisten Knochen sind bei der Geburt bereits vorhanden, es fehlen aber noch die Höcker und Gelenke nden, die sie erst komplett machen. ImVerlauf von Kindheit und Pubertät bilden sich diese schnörkeligenTeile, die sogenannten Epiphysen, und verschmelzen miteinander.Anhand desVerschmelzungsgrads lässt sich dasAlter einschätzen.
Ich ging jetzt zu den R öntgenaufnahmen des Skeletts. Nach mehr als einem Jahrzehnt derArbeit mit mir wusste Joe Hawkins genau, welcheAnsichten ich brauchte. Und er hatte sie, wie gewohnt, auch angefertigt.
Ich fing mit einerAufnahme an, die die Hand- undArmknochen des Mädchens zeigte. Slidells stures Beharren darauf, dass die Kleine bestimmt eine Nutte war, ging mir auf die Nerven. Da ich wusste, dass es ihn nerven würde, redete ich wieder »Fachchinesisch«. Das ist zwar kindisch, aber das war mir egal.
»Die distale radiale Epiphyse befindet sich noch im Prozess derVerschmelzung, die distale Ulnaepiphyse ist erst kürzlich verschmolzen. Die restlichen Handknochen sind komplett.«
Ich ging zu einerAufnahme, die Schulter undArm der linken Seite zeigte.
»DieAkromialepiphysen sind an beiden Scapulae vorhanden, aber noch unverschmolzen.«
Ich zeigte auf den gebrochenen Oberarmknochen.
»Der mediale Epikondylus und die distalen und proximalen Epiphysen befinden sich im Prozess derVerschmelzung.«
Weiter zum Becken.
»Die Crista iliaca ist vorhanden, aber noch unverbunden.« Ich meinte den Knochenstreifen, der später den oberen Rand des Hüftknochens bilden würde.
Zum Oberschenkel.
»Femoraliskopf undTrochanter sind verschmolzen. Die distale Epiphyse befindet sich im Prozess derVerschmelzung.«
Der Unterschenkel.
»Die proximalen und distalen Epiphysen der Tibiae und Fibulae befinden sich im Prozess derVerschmelzung.«
Der Fuß.
»Die proximalen Phalangen –«
»Und was heißt das alles?«, fiel Slidell mir insWort.
»Sie war zwischen vierzehn und fünfzehn Jahre alt, als sie starb.«
Viel zu jung, um auch nur eineAhnung davon zu haben, was das Leben zu bieten hatte. Fünfzehn Jahre. Sie
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