Totengeld (German Edition)
sagte ich.
Pete lehnte sich zurück. Überlegte es sich dann anders, beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf denTisch.
»Es gibt eine Möglichkeit, dass du Katy sehen kannst.«
» Wir wollten eigentlich skypen –«
»Ich meine persönlich.«
» Was? Bekommt sie Urlaub? Jetzt schon?« Mein Donut erstarrte mitten in der Luft. »O Gott. Ist sie verletzt?«
»Nein.«
»Ist sie im Krankenhaus?«
»Nein. O Mann. Hör auf überzureagieren.«
»Sag mir dieWahrheit.«
»Ich habe überhaupt keinen Grund zu der Annahme, dass unsere Tochter nicht kerngesund und glücklich ist.« Übergeduldig.
Ich musterte Petes Gesicht. Sah keinenTäuschungswillen.Aber jede Menge Zweifel.
Janis Peterson. Der Mann der flinken Zunge und der stählernen Nerven?
» Was ist los, Pete?«
Er hob seineTasse. Stellte sie, ohne getrunken zu haben, wieder ab.
»Du kannst zu ihr.«
»Zu ihr?« Ich hatte wohl irgendwo etwas verpasst.
»Nach Bagram.«
»Bagram.Afghanistan?«
»Genau.«
Das ergab einfach keinen Sinn.
»Ich weiß, dass du dir Sorgen machst, Zuckerschnäuzchen. Ich mache mir auch Sorgen.Vor allem wennTage vergehen, ohne dass ich auch nur einWort höre. Das kann ich allerdings nicht zugeben, wo ich doch ein Mann bin und so.«
Noch ein alterWitz, der kein Lachen auslöste.
Pete redete weiter, doch jetzt in einem anderenTon. Sehr ernst.
»Ich will dich nicht manipulieren.Aber ich will dich überzeugen.«
Überzeugung. Das Handwerkszeug desAnwalts.
»Mich überzeugen.« Da ich völlig verwirrt war, äffte ich ihn einfach nach.
Pete atmete tief ein. Stieß die Luft wieder aus.Verschränkte die Finger.
»Erinnerst du dich an meinem Freund, Hunter Gross?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Denjenigen, von dem ich dir am Mittwoch beimAbendessen erzählt habe?«
In der Bar bei voll aufgedrehter Lautstärke. »Er ist ein Marine«, sagte ich. »Sein Neffe ist ein Marine.«
»Ja, John Gross. Ich kenne Hunter schon seit Jahren.«
»Aus deiner Zeit im Corps.« Ich hatte Petes alte Militärkumpel noch nie auseinanderhalten können.
Pete nickte. »Hunter hat mich wieder angerufen. Er macht sich wirklich Sorgen wegen seines Neffen.«
» R ed weiter.«
»Ich glaube, ich habe dir erzählt, dass John im Camp Lejeune auf eineAnhörung nachArticle 32 wartet.«
EineAnhörung nachArticle 32 ist das militärische Äquivalent einerVorverhandlung vor einer Grand Jury. Zweck ist es herauszufinden, ob genug Beweismaterial für einen Kriegsgerichtsprozess vorhanden ist.
»John wird beschuldigt, afghanische Zivilisten getötet zu haben.«Allmählich fiel mir die Geschichte wieder ein. » Was er bestreitet.«
»Ein Kriegsgerichtsprozess würde die Karriere des Jungen ruinieren. Doch das ist noch die geringste seiner Sorgen. Falls er schuldig gesprochen wird, könnte er lebenslang in einem Bundesgefängnis sitzen. Oder noch Schlimmeres.«
» Was hat er denn angeblich getan?«
»Der Anklageschrift nach soll er bei der Durchsuchung eines Dorfes unbewaffnete Bewohner erschossen haben.«
» Wie lautet seineVersion?«
»Es dämmerte bereits. Es herrschte totales Chaos. Die Männer kamen ›Allah!‹ schreiend auf ihn zu. Einer machte eine Bewegung, als würde er nach einerWaffe greifen. Er behauptet, in Notwehr geschossen zu haben.«
»Aber wie sich herausstellte, hatten die Männer gar keineWaffen.«
»Genau.«
Ich überlegte.
»Gross führt ein, was, ein M16? Die Opfer sind unbewaffnet. Und doch stürzen sie auf ihn zu? Das ergibt doch keinen Sinn.«
»Im Eifer des Gefechts? Ein persönlicher Dschihad?« Pete zuckte dieAchseln. » Wer weiß?«
»Hinter der Geschichte muss mehr stecken.«
»Ich sage dir, was ich weiß.Als Lieutenant und Zugführer musste John jede Menge schwieriger Entscheidungen treffen. Mit ernsten Konsequenzen.«
Pete hielt inne, vielleicht dachte er an seine eigenen schwierigen Entscheidungen im aktiven Dienst.
»Eine dieser Entscheidungen betraf einen Corporal namens Grant Eggers. Nach diversen ermahnenden Gesprächen war John gezwungen, Eggers von seinem Posten als Leiter der Schützentruppe zu entheben. Eggers war stinksauer, redete angeblich bei jeder Gelegenheit schlecht über John, stellte ihn aber nie persönlich zur R ede.«
»Lass mich raten. Eggers ist derjenige, der dieAnschuldigung vorgebracht hat.« Ich nahm mir einen Donut mit Zuckerguss.
»Ja. Er sagt, die Männer wären nicht auf John zu-, sondern vor ihm davongerannt. Er behauptet, John hätte sie in den R ücken geschossen.«
»O
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