Totenhauch
ein«, sagte Devlin.
»Wir haben sie schon in unser System eingegeben. Dürfte eigentlich nur noch eine Frage der Zeit sein.«
Devlins Telefon klingelte, und während er sich ein paar Schritte entfernte, fing ich an, das Ganze kurz im Kopf durchzurechnen. Afton Delacourt war vor fünfzehn Jahren ermordet worden. Das Skelett, das wir am Tag zuvor exhumiert hatten, war fünf bis zehn Jahre in der Erde gewesen. Hannah Fischer war erst seit ein paar Tagen tot. Ich fragte mich, ob sich hier ein neues Muster zeigte oder ob wir all die anderen Leichen erst noch finden mussten.
»Geht es Ihnen gut?«, riss Ethan mich aus meinen Gedanken.
»Ich bin nur müde.«
Er betrachtete mich prüfend. »Sie sehen ein bisschen gerötet aus. Meinen Sie nicht, dass Sie sich hier draußen übernehmen?«
»Nein. Es geht mir gut. Warum?«
»Ich habe gehört, dass Sie und Devlin diese geheime Kammer und die unterirdischen Gänge entdeckt haben. Und das Skelett«, fügte er mit grimmiger Miene hinzu. »Das muss Ihr Nervenkostüm strapaziert haben.«
»Es war ein wenig traumatisch«, gab ich zu.
»Konnten Sie überhaupt schlafen letzte Nacht?«
Ich erinnerte mich daran, wie friedlich Devlin in meinem Arbeitszimmer geschlummert hatte, während ich vollständig bekleidet auf meinem Bett gelegen, an die Decke gestarrt und mich innerlich aufgerieben hatte.
»Nicht viel.«
»Und trotzdem sind Sie jetzt schon wieder hier. Hier stehen mindestens ein halbes Dutzend Polizeibeamte herum, die diesen Friedhof absuchen könnten.«
»Ich kenne das Gelände, und ich weiß, wonach ich suchen muss, zumindest in etwa.«
Er zuckte mit den Achseln. »Okay. Aber wenn Sie eine Pausebrauchen, dann machen Sie eine. John setzt sich selbst unter Druck, aber das heißt nicht, dass Sie das auch tun müssen.«
Ich drehte mich kurz um. Devlin war einen der Gehwege hinuntergegangen und außer Hörweite. »Kennen Sie ihn schon lange?«
»Ja. Er wirkt manchmal ein bisschen schweigsam, aber er war nicht immer so. Der Unfall hat ihn verändert. Ich glaube nicht, dass er je darüber hinwegkommt.«
»Das ist ja auch verständlich. Er hat seine ganze Familie verloren.«
Ethan seufzte. »Es ist nicht nur die Trauer. Die Schuldgefühle fressen ihn auf.«
Ängstlich schaute ich mich um. »Ich weiß nicht, ob wir darüber reden sollten.«
»Da irren Sie sich, Amelia. Sie sind der eine Mensch, der das hören muss.«
»Er könnte zurückkommen.«
Ethan drehte sich so, dass er den Gehweg im Blick hatte. »Ich sehe, wenn er kommt.«
»Ich habe trotzdem das Gefühl, dass es sich nicht gehört.«
»Mir ist auch nicht ganz wohl dabei. Was da läuft zwischen Ihnen und John, geht mich nichts an. Sie sind beide erwachsen, und vielleicht sollte ich es dabei belassen. Aber Sie scheinen ein netter Mensch zu sein, und John ist für mich wie Familie.«
Erstaunt blickte ich ihn an. »Ich hatte keine Ahnung, dass Sie einander so nah stehen.«
»Inzwischen nicht mehr«, erwiderte Ethan. »Nach dem Unfall hat er fast alle Freunde aus seinem Leben verbannt. Ich glaube, er wollte sich von allem befreien, was ihn erinnerte. Aber es gab mal eine Zeit, da waren er, Mariama und ich unzertrennlich. Ich war Shanis Patenonkel.«
»Das … das wusste ich nicht. Es tut mir leid.«
Er nickte niedergeschlagen. »Ich war bei John, als der Anrufwegen des Unfalls kam. Ein paar Stunden vorher hatten wir uns alle bei ihnen zu Hause getroffen. Mariama hatte eine Grillparty geplant. Sie hatte sich die ganze Woche darauf gefreut, aber dann bekam John einen Anruf vom Präsidium und musste überraschend arbeiten. Sie hatten sich schon den ganzen Tag gestritten wegen allem Möglichen, aber dieser Anruf war der Auslöser.«
»Der Auslöser für was?«
Er zögerte. »Mariama war eine leidenschaftliche und impulsive Frau. Ihre Unberechenbarkeit machte einen Teil ihres Charmes aus, und ich glaube, es war einer der Gründe, warum John sich so unsterblich in sie verliebt hatte. Sie war so ganz anders als er. Sie konnte aber auch eifersüchtig, rachsüchtig und besitzergreifend sein, auch was seine Karriere betraf. Sie wusste genau, welche Knöpfe sie bei ihm drücken musste, und sie hat es dann genossen. Und an dem Tag hat sie ein paar Dinge gesagt, ein paar hässliche Dinge, von denen sie wusste, dass sie ihn in Rage bringen würden.«
»Und hat sie es geschafft?«
Er strich sich mit der Hand durch die Haare und schaute weg. »Ja. Der Streit wurde ziemlich übel. Keine körperliche Gewalt
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