Totenhauch
dass das fehlende Kirchenbuch auftaucht.«
»Ich verstehe«, sagte er. »Ich habe diese Kartons hier schonzigmal durchgesehen, aber immer wieder komme ich mit der Hoffnung hier herunter, irgendeine versteckte Information zu finden oder eine unerwartete Enthüllung zu machen. Das ist wie eine Schatzsuche.«
»Das macht süchtig«, erwiderte ich.
Er strahlte. »Ja, genau.« Er wandte sich wieder den Kartons zu und ließ den Blick darüberwandern. »Was für ein Zufall, dass ich Sie heute Morgen hier unten antreffe. Ich wollte nämlich gerade selbst einige der Oak-Grove-Unterlagen durchsehen.«
»Wirklich? Wieso?«
»Heute früh hat mich ein Detective von der Polizei angerufen. Er hat anscheinend ein paar geschichtliche Fragen über den Friedhof. Er wollte mir nicht viel sagen, nur, dass er heute Nachmittag gern vorbeikommen würde, aber er hat eine Andeutung gemacht, die mich neugierig gemacht hat. Er hat gefragt, ob es auf dem Grundstück außer der alten Kirche noch andere Gebäude gegeben habe, bevor man den Friedhof angelegt hat.«
»Und, waren da welche?«
»Nein … nicht, dass ich wüsste.«
Ein Zögern lag in seiner Stimme. »Sie würden es wissen«, hakte ich nach. »Oder? Sie haben gesagt, Sie hätten das alles hier unten schon mehrere Male durchgesehen.«
»Ja, aber die Unterlagen sind nicht vollständig. Wie ich bei unserem letzten Gespräch schon erwähnt habe, sind eine Menge von den alten Papieren während und nach dem Krieg vernichtet worden.«
»Können Sie mir irgendetwas über das Grundstück erzählen, was nicht allgemein bekannt ist?«
»Nichts Konkretes. Aber ich bin immer davon ausgegangen, dass Emerson auf dem Gelände der alten Bedford-Plantage erbaut wurde. Das Haus, das ursprünglich dort stand, ist im späten achtzehnten Jahrhundert abgebrannt, und ich war überzeugt, dass man das Haus an der gleichen Stelle neu aufgebauthat. Aber nachdem dieser Detective Devlin nach Oak Grove gefragt hat, überlege ich, ob der Friedhof vielleicht auf dem Grundstück des alten Plantagenhauses steht.«
»Wäre das nicht in den Grundbüchern des County eingetragen?«
»Nicht wenn man die Einträge absichtlich entfernt hätte.«
Ich schaute auf. »Warum sollte jemand so etwas tun?«
Nervös blickte er über die Schulter. »Um zu vertuschen, was dieser Detective Devlin auf dem Friedhof gefunden hat.«
Mein Herz setzte einen Schlag aus. »Sie wollen sagen, dass jemand Grundbucheintragungen beim County löscht, Kirchenregister mitgehen lässt, Sachen aus den Universitätsarchiven stiehlt …«
»Wenn man genug Geld oder Einfluss hat, kann man alles verschwinden lassen«, gab er leise zur Antwort.
»Das ist eine sehr interessante Beobachtung«, entgegnete ich.
Er warf wieder einen flüchtigen Blick über die Schulter und beugte sich dann näher zu mir hin. »Nach unserem letzten Gespräch habe ich ein paar Recherchen über den Order of the Coffin and the Claw angestellt. Es gab schon Gerüchte über eine Verbindung zu Oak Grove, lange bevor Afton Delacourt ermordet wurde.«
»Sie meinen, jemand, der zu dieser Studentenverbindung gehörte, hat die Unterlagen vernichtet?«
»Vielleicht ein kollektiver Jemand. Ich weiß es nicht. Das ist alles reine Spekulation von mir, aber … ich habe etwas gefunden, das Sie interessieren könnte.«
»Ja?«
»Sie wollten wissen, ob Sie vielleicht einige der Symbole der Organisation auf alten Grabsteinen gesehen haben. Das hier ist das Einzige, was ich jemals mit dem Orden in Verbindung bringen konnte.« Er zog ein Blatt Papier aus der Hosentasche, breitete es vor mir auf dem Boden aus und strich es glatt.
Das Wappen zeigte eine Schlange, die sich um eine Kralle schlang.
Ewig lang starrte ich auf die Zeichnung hinunter, aus Angst aufzublicken, weil ich wusste, dass meine Miene mich verraten würde.
Das Symbol war das gleiche wie auf Dr. Shaws Ring. Und plötzlich wusste ich auch, wo ich es schon einmal gesehen hatte.
Auf dem Anhänger, den Devlin um den Hals trug.
EINUNDDREISSIG
Die Enthüllung erschütterte mich zutiefst. Devlin war Mitglied der Studentenverbindung Order of the Coffin and the Claw , der Geheimgesellschaft, die man mit der Ermordung von Afton Delacourt in Verbindung brachte.
Ich glaubte zwar keine Sekunde, dass er persönlich darin verwickelt war … Doch plötzlich erinnerte ich mich wieder an das Gespräch zwischen Devlin und Camille Ashby, das ich zufällig mitangehört hatte.
Sie hatte darauf beharrt, dass das Auffinden
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