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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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auf ihn, und im selben Augenblick spürte ich einen Schmerz wie von tausend Nadelstichen auf dem Rücken.

VIERUNDDREISSIG
    Ein toter Ast war von einem Baum abgebrochen und direkt in mein Fenster gekracht. Obwohl sich in dieser Nacht kein Lüftchen regte. Obwohl ich die Risse gesehen hatte, bevor das Glas zerbrach.
    Aber das war die einzig logische Erklärung.
    Der verrückte Unfall war anscheinend ein Weckruf gewesen für Devlin. Nachdem er mir geholfen hatte, eine Spanplatte aus dem Keller zu holen und die Fensteröffnung damit zuzunageln, konnte er gar nicht schnell genug von mir wegkommen. Seitdem waren fast zwei Wochen vergangen, und ich hatte ihn die ganze Zeit nicht gesehen und auch nichts von ihm gehört.
    Ich redete mir ein, dass das gut so war. Auch für mich war der Unfall eine Warnung gewesen, denn er war eine unerbittliche Erinnerung, was für verhängnisvolle Folgen es hatte, wenn ich die Regeln meines Vaters missachtete. Das umherfliegende Glas hätte Devlin und mich schwer verletzen, vielleicht sogar töten können. Ich konnte von Glück sagen, dass ich mit ein paar winzigen Splittern im Rücken davongekommen war.
    Der Zeitpunkt des Unfalls erschreckte mich, aber vielleicht überschätzte ich Mariamas Fähigkeiten, wenn ich dachte, sie habe es irgendwie bewerkstelligt, dass der Ast vom Baum fiel. So viele Totengeister ich in meinem Leben auch schon gesehen hatte, so hatte ich doch noch nie den physischen Ausdruck einer Wesenheit aus dem Jenseits erlebt, mit einer Ausnahme, und diewar der Granatring, den Shani vielleicht in meinem Garten hinterlassen hatte, oder vielleicht auch nicht.
    Aber   … das war der Totengeist von Mariama Goodwine Devlin. Einer Frau, die Bescheid wusste. Über dunkle Dinge. Über Hexendinge. Einer Frau, die glaubte, dass die Macht und Stärke eines Menschen im Tod nicht abnahmen. Dass eine Seele, die wütend war über ihren gewaltsamen Tod, diese Kraft dazu nutzen konnte, sich in das Leben der Lebenden einzumischen. Sie manchmal sogar zu ihrem Sklaven zu machen.
    Nach meinem Gespräch mit Essie war ich überzeugt gewesen, dass Shanis Totengeist keine Ruhe finden konnte, weil sie ihren Vater nicht verlassen wollte. Doch jetzt schien klar zu sein, dass Mariama diejenige war, die nicht gehen wollte, die gefangen war zwischen ihrer Tochter und dem Ehemann, den sie nicht zurücklassen wollte. Vielleicht hatte Temple recht gehabt. Die Beziehung zwischen Devlin und Mariama war so gewesen, dass nichts   – weder Zeit noch Raum, noch nicht einmal der Tod   – sie je auseinanderbringen konnte.
    Nach dem Essen mit Temple war ich an dem Abend nach Hause gefahren und hatte von Devlin und Mariama geträumt. Und in letzter Zeit hatte ich öfter von ihnen geträumt. Es fing immer gleich an: Temple flehte mich an, mich zu ihr an den offenen Eingang zu stellen. Drinnen der wabernde Nebel, die flackernden Kerzen, das primitive Trommeln, das den rauschhaften Rhythmus des Paares bestimmte. Und dann sah Mariama sich um, und wenn ich ihren Blick dann erwiderte, blickte ich mir manchmal selbst in die Augen.
    Ich war nicht besessen, doch ich hatte große Angst, dass ich allmählich in eine Obsession hineinglitt.
    Und da war es gut, dass der Alltag wieder dazwischenkam. Da man die Sanierung von Oak Grove auf unbestimmte Zeit verschoben hatte, zwang mich meine finanzielle Situation, einen neuen Auftrag anzunehmen. Sosehr ich es auch genossen hatte,bei Mordermittlungen mitzumischen   – und ja, jetzt musste ich das offen zugeben –, so konnte ich doch meinen abnehmenden Kontostand nicht mehr länger ignorieren.
    Ich verfolgte die neuen Entwicklungen online und in der Zeitung, und deshalb wusste ich, dass man die Skelettreste, die aus dem zweiten Grab exhumiert worden waren, inzwischen identifiziert hatte. Der Name des Opfers war Jane Rice, und sie hatte an der MUSC , an der Medical University of South Carolina , als Krankenschwester in der Notaufnahme gearbeitet.
    Sie war ledig, lebte allein, und allem Anschein nach war sie eine sozial engagierte junge Frau gewesen, die eines Abends vor neun Jahren auf dem Weg zur Arbeit verschwand und von der man danach nie wieder etwas gehört hatte.
    Ich speicherte diese Information wie alle anderen in meiner Oak-Grove-Datei.
    Jetzt, da ich mit den Ermittlungen   – und mit Devlin   – nichts mehr zu tun hatte, kam mir alles, was geschehen war, etwas unwirklich vor. Der Mörder war immer noch irgendwo da draußen, doch ich hatte in meinem Blog keine

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