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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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Glitzern am Finger des kleinen Geistermädchens zu erinnern, als es auf das Fenster zeigte, an dem ich gestanden und sie beobachtet hatte.
    Ich kniete mich auf den Rasen, legte die Hände auf die Oberschenkel und starrte den Ring lange an.
    War er als Botschaft zurückgelassen worden? Als Warnung?
    Konnte ein Gespenst so etwas tun?
    Ich hatte das spinnenhafte Krabbeln ihrer Finger in meinen Haaren gespürt, den Hauch ihres kalten Atems in meinem Nacken, aber ich hatte noch nie einen greifbaren Beweis für ihre Existenz gefunden. Und doch lag da jetzt ein Ring, genau an der Stelle, wo einer von Devlins Geistern wieder in den Nebel entschwunden war.
    Es erschien mir nicht angemessen, ihn halb vergraben im Dreck liegen zu lassen, aber ich wollte das Ding auch nicht in meinem Haus oder an mir haben.
    Ich hatte schon jetzt eine viel zu enge Verbindung zu diesem Geistwesen. Das Letzte, was ich jetzt noch brauchte, war, dass ich unabsichtlich eine Einladung aussprach.
    Nach einer Weile stand ich auf und ging ins Haus, um ein antikes Schmuckkästchen aus Silber von meiner Schlafzimmerkommode zu holen und einen Korb mit Kieselsteinen und Muscheln, die ich im alten Teil des Friedhofs von Rosehill gesammelt hatte, dem Spielplatz meiner Kindheit. Die Sachen stammten von geweihtem Boden, genau wie der geschliffene Stein, den ich an einer Silberkette um den Hals trug. Ich wusste nicht, ob sie an sich irgendwelche schützenden Eigenschaften hatten. Mir gefiel aber der Gedanke, dass es so war.
    Ich ging wieder nach draußen in den Garten, hob den Ring mit der Spitze einer Schaufel vorsichtig aus der feuchten Erde, legte ihn in das silberne Kästchen, hob ein Loch aus und vergrub das Kästchen darin. Dann legte ich aus den Kieselsteinen ein Herz über der Stelle.
    Da ich schnell und hoch konzentriert arbeitete, blendete ich die Geräusche von der Straße ebenso aus wie das sachte Spucken des Rasensprengers meines Nachbarn. Ich blickte erst auf, als ich Schritte auf den Pflastersteinen hörte, doch da war es zu spät. John Devlin war bereits an mir dran.
    Mir war, als hätte er mich schon eine Weile durch das schmiedeeiserne Tor beobachtet. Ich glaube, etwas in mir hatte sogar gespürt, dass er da war, doch ich hatte beschlossen, die Warnung zu missachten. Jetzt, da sein Schatten sich über mich legte, starrte ich zu ihm hoch, und mein Herz begann wie wild zu klopfen.
    »Was ist gestorben?«, fragte er.

SECHS
    »Nichts ist gestorben.« Ich redete in einem lockeren Ton, der, wie ich wusste, das erschrockene Pochen meines Herzens überspielte. Genau wie mein einstudierter Gesichtsausdruck. Ich gab niemals preis, was ich empfand. Das konnte ich mir nicht leisten, denn jedes nervöse Zucken oder Abwenden des Blicks konnte verraten, dass ich mir der Anwesenheit eines Geistes bewusst war.
    Apropos Geister   – Devlin war allein. Nicht sehr überraschend, da die Sonne inzwischen in voller Pracht über dem Horizont stand. Seine unirdischen Gefährten waren wieder hinter dem Schleier verschwunden, warteten auf die Dämmerung, warteten auf eine Zeit zwischen den Zeiten und auf einen Ort zwischen den Orten, um erneut zu erscheinen.
    »Ich dachte, ich nutze meine unerwartete Freizeit, um ein bisschen im Garten zu arbeiten«, erklärte ich ihm. »Normalerweise wäre ich jetzt schon auf dem Friedhof, weil es um diese Zeit noch nicht so heiß ist.«
    »Mord hat es so an sich, dass er einem die ausgeklügeltsten Pläne versaut«, entgegnete er ohne ein Lächeln und ohne den leisesten Anflug von Ironie. Er deutete mit einem Kopfnicken auf die Steine auf dem Boden. »Wofür ist das Herz?«
    »Das ist bloß ein Symbol. Es kann alles bedeuten, was Sie wollen. Frieden. Liebe. Harmonie.« Ich blinzelte zu ihm hoch. Es war das erste Mal, dass ich ihn bei Tageslicht sah, und erwirkte jünger und zugleich älter, als ich zunächst gedacht hatte. Abgesehen von ein paar feinen Linien um Augen und Mund hatte sein Gesicht keine Falten, und seine Haare waren dicht und dunkel. Er hatte einen modernen Kurzhaarschnitt, und die Frisur gab ihm etwas Kantiges, ebenso wie der Schnitt seiner Hose und sein eng anliegendes Hemd. Er sah aus wie ein Mann, der stolz war auf sein äußeres Erscheinungsbild, und das mit gutem Grund. Er war sehr attraktiv und hatte so eine grüblerische Ausstrahlung, wie sie Frauenherzen schon seit Urzeiten höher schlagen lässt. Ich war da keine Ausnahme.
    Ich schätzte ihn auf Anfang, Mitte dreißig, aber die tiefen Schatten unter seinen

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