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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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dicht, dass man einige Grabsteine kaum sehen kann.«
    »Weil ich dieses Bild, wie schon gesagt, am Nachmittag aufgenommen habe. Ich habe gegen die Sonne fotografiert. Das nächste Bild zeigt die Vorderseite des Grabsteins, und da stand die Sonne hinter mir.«
    »Und?«
    »Wenn die Inschrift nach vorn zeigen würde, zum Grab hin, läge der Leichnam Richtung Westen. Sehen Sie?« Ich griff nach dem Foto, wobei ich achtgab, dass ich seine Finger nicht berührte, und zeigte ihm, was ich meinte. »In den Südstaaten sind fast alle alten Friedhöfe so angelegt, dass die Verstorbenen Richtung Osten liegen, in Richtung der aufgehenden Sonne. Die meisten Menschen glauben, diese Ausrichtung sei eine christliche Tradition, aber in Wirklichkeit geht sie zurück auf die alten Ägypter.«
    »Ist diese Ost-West-Sache allgemein bekannt, oder ist das etwas, was nur so jemandem wie Ihnen auffallen würde?«
    »Na ja, ein Geheimnis ist es jedenfalls nicht. Das, was ich Ihnen da gerade erzählt habe, könnten Sie ganz einfach im Internet herausfinden. Aber ich bezweifle, dass sich viele Menschen Gedanken über den Grundriss eines Friedhofs machen würden, ganz egal, ob es sich um einen alten Friedhof handelt oder um einen neuen.« Gedankenverloren nahm ich einen Stein aus dem Korb und rieb ihn zwischen Daumen und Zeigefinger. »Glauben Sie, dass der Mörder jemand ist, der sich für Friedhöfe interessiert?«
    »Ich schließe das nicht aus. Er hatte so viele Gräber zur Auswahl. Warum hat er sich da ausgerechnet dieses eine Grab ausgesucht? Was bedeutet es, wenn ein Grabstein nach hinten zeigt?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Normalerweise hängt es davon ab, was einem besser gefällt. Manchmal schreibt einem auch der Grundriss des Friedhofs vor, wie die Grabsteine ausgerichtet werden müssen, aber das ist in Oak Grove offensichtlich nicht der Fall. Und natürlich gibt es da auch noch die abergläubische Vorstellung, dass Hexengräber mit einem nach außen oder nach hinten zeigenden Grabstein markiert wurden, aber dass das hier der Fall ist, möchte ich ebenfalls bezweifeln.« Ich blickte aufdas Foto. »In diesem Grab wurde ein vierzehnjähriges Mädchen beigesetzt, das Ende des neunzehnten Jahrhunderts an Scharlach gestorben ist. Ich habe weder in den Unterlagen des Countys noch in den Universitätsarchiven irgendetwas Ungewöhnliches über ihren Tod gefunden.«
    »Was ist mit der Grabinschrift? Und mit den Zeichnungen auf dem Grabstein? Was bedeuten die?«
    »Die Inschrift ist ein für die Viktorianische Zeit ganz typischer Vers, und die Symbole können nach Belieben interpretiert werden. Wenn Sie fünf Fachleute fragen, bekommen Sie wahrscheinlich fünf verschiedene Antworten. Und die Bedeutung kann je nach Ort und je nach Jahr anders sein. In Anbetracht der Inschrift und dem Alter der Verstorbenen würde ich sagen, dass der abgeschlagene Ast der Trauerweide für das Leid einer gebrochenen Familie steht und die rankende Prunkwinde die Wiederauferstehung symbolisiert. Prunkwinden wurden auch als Symbol für Jugend und Schönheit verwendet.«
    »Was ist mit der Feder am unteren Rand des Steins?«
    »Die symbolisiert den Flug der Seele, obwohl das bei der Feder nicht ganz so eindeutig ist wie bei einer Taube oder bei einem geflügelten Gesicht.«
    Er blickte auf. »Was zum Teufel ist ein geflügeltes Gesicht?«
    »Genau das, was es besagt   – ein Gesicht mit Flügeln, manchmal auch ein Schädel. Manchmal heißen sie auch Seelenbildnisse oder Todesköpfe. Diese Symbole findet man hauptsächlich auf den Friedhöfen von New England, wo die puritanischen Steinmetze eine morbidere und prosaischere Darstellung bevorzugten   – einen Totenkopf mit gekreuzten Knochen, Leichen im Sarg, Skelette   …« Ich verstummte und sah ihn an. »Tut mir leid. Ich komme hier vom Hölzchen aufs Stöckchen.«
    »Nein, nein, das ist alles total spannend. Machen Sie weiter.« Er klang kein bisschen ungehalten über meine ausschweifenden Erklärungen, und ich wusste das zu schätzen.
    »Erst an der Wende zum neunzehnten Jahrhundert wurde die Grabsteinkunst vergeistigter und symbolträchtiger und damit auch offener für alle möglichen Interpretationen, so wie bei der hier auf diesem Grabstein.«
    »Sie wollen also sagen, dass die Bedeutung dieser Symbole im Auge des Betrachters liegen«, sagte er nachdenklich.
    »Bei manchen schon.« Ich warf den Kieselstein wieder in den Korb. »Warum kommen Sie nicht kurz herein? Wenn Sie wirklich etwas über

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