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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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Stimmung.
    Der Geist ließ die Hand sinken, trat zurück in die Dunkelheit und verschwand langsam im Nebel.

FÜNF
    Am nächsten Morgen wachte ich im Halbdunkel der Morgendämmerung auf. Es war kurz vor sechs, und mein Wecker klingelte erst eine Stunde später, aber ich schaltete ihn trotzdem aus, legte einen Arm über meine Augen, während die Ereignisse des vergangenen Abends zurückkamen.
    Alles erschien mir ein bisschen verschwommen, vielleicht weil ich noch nicht ganz wach war. Die hochgeschwemmte Leiche auf dem Friedhof. Das Erscheinen des Geisterkindes. Selbst meine merkwürdige Reaktion auf John Devlin.
    Ich rollte mich auf die Seite und starrte aus dem Fenster, während ich überlegte, ob ich später meine Mutter anrufen sollte. Ich wusste, dass sie sich Sorgen machen würde, wenn sie in den Nachrichten von der Oak-Grove-Sache erfuhr, doch ich hatte Angst, meine Stimme könnte zu viel verraten, falls Devlins Name zur Sprache kam, und wie sollte ich etwas erklären, was ich selbst nicht verstand? Er wurde von Geistern heimgesucht und war deshalb tabu, allein schon deswegen lag ein gewisser Reiz in der Situation. Doch ich fragte mich, ob es nicht noch mehr war. Warum sollte er mich sonst auch ohne seine Geister so aus der Fassung bringen?
    Ich hatte letzte Nacht von ihm geträumt. Es kam selten vor, dass ich von einem Mann träumte, nicht einmal bei einem Mann, mit dem ich zusammen war. Es war kein sehr anschaulicher oder erotischer Traum gewesen, nur eine Aneinanderreihung von seltsamen Bildern, die meine ohnehin schon ungesunde Neugier noch mehr schürten.
    Wenn ich vernünftig gewesen wäre, hätte ich mir Devlin natürlich aus dem Kopf geschlagen. Ich hatte getan, worum er mich gebeten hatte, und jetzt gab es keinen Grund mehr, weiter in Kontakt mit ihm zu bleiben. Und falls wir einander wiederbegegneten, würde ich mir irgendeinen wirksameren Selbstschutzmechanismus basteln müssen, denn ich konnte es nicht riskieren, abermals von seinem Geisterkind heimgesucht zu werden. Was, wenn sie es beim nächsten Mal schaffte, weiter zu mir vorzudringen, nicht nur bis in den Garten? Der Gedanke an ein solches Eindringen in meine Privatsphäre machte mir Angst, doch ich konnte trotzdem nicht leugnen, dass der vergangene Abend in mehr als nur einer Hinsicht stimulierend gewesen war. Die Begegnung mit Devlin hatte Unruhe in meine sichere kleine Welt gebracht und mir so einiges zum Nachdenken gegeben   – was ich auch tat, während ich mich anzog und die Zeitung hereinholte.
    Die Oak-Grove-Geschichte hatte es auf die Titelseite der Post and Courier geschafft. Ich stand in der Küche, trank ein Glas Saft und überflog den Artikel. Der Bericht enthielt nur ganz wenige Einzelheiten, aber wie Devlin vorausgesagt hatte, wurde mein Name erwähnt, denn in der offiziellen Stellungnahme der Universität gegenüber der Presse hatte Camille Ashby mich als »Sachverständige« genannt, die man hinzugezogen hatte, damit die historische Substanz des Friedhofes nicht angetastet würde. Zwar nicht mein eigentlicher Job, aber so ähnlich.
    Ich faltete die Zeitung wieder zusammen, legte sie weg und verließ das Haus, um meinen täglichen Spaziergang zu machen. Zunächst lief ich über die Rutledge Avenue nach Süden. Zwei Straßen weiter bog ich Richtung Osten ab, wo bereits die ersten glutheißen Finger des Sonnenaufgangs am Horizont emporkrochen. Eine sanfte Brise wehte durch die Wedel der Palmettopalmen und verstärkte den Duft der Magnolien, die auf ihren Nestern aus glänzenden Blättern saßen wie schlafende Tauben.
    An einem solchen Morgen, zu einer Zeit, da die Geister der Toten sich wieder hinter den Schleier zurückzogen, konnte ich mir keinen schöneren Ort vorstellen. Die Heilige Stadt, wie manche sie nannten wegen der vielen Kirchtürme, die sich über der niedrigen Skyline erhoben. Charleston war der alte Süden, eine Geisteshaltung, die prachtvolle Kulisse verlorener Träume. Wohin ich auch schaute und wohin ich auch ging, immer hüllte die Vergangenheit mich ein.
    Ich lebte erst seit sechs Monaten hier, doch ich war tief mit der Stadt verwurzelt. Meine Mutter war in Charleston geboren und aufgewachsen. Und obwohl sie ihr Elternhaus schon vor vierzig Jahren verlassen hatte, um meinen Vater zu heiraten, war sie bis zum heutigen Tag durch und durch Charlestonerin geblieben. Sie und ihre Schwester Lynrose kamen aus gutem Hause und waren in der historischen Altstadt aufgewachsen. Ihre Eltern waren Lehrer, belesen und

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