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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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mich über den Tisch hinweg ansah. Sein Gesichtsausdruck blieb unverändert, aber in seinen Augen sah ich etwas aufflackern, was ich nicht deuten konnte. »Reden Sie von diesem anderen Wagen?«
    »Ja. Die schwarze Limousine, die hinter mir auf dem Seitenstrafen stand und die davongeschossen ist wie eine Rakete, als der Fahrer die Scheinwerfer Ihres Wagens gesehen hat. DasAuto, das mich an dem Abend, als man mir meinen Aktenkoffer gestohlen hat, fast überfahren hätte, war ebenfalls eine schwarze Limousine.«
    »Haben Sie eine Ahnung, wie viele schwarze Limousinen es in South Carolina gibt?«
    »Hunderte. Tausende   …« Ich zuckte mit den Achseln. »Merkwürdig finde ich es trotzdem.«
    Er wollte etwas sagen, doch er tat es nicht, weil die Kellnerin kam und uns die Getränke brachte. Ich sah ihm zu, wie er das Bier in einen eisgekühlten Krug einschenkte. Mein Blick fiel auf seine Hände. So feingliedrig. So ruhig.
    Wir saßen nahe beim Geländer, wo eine Reihe von Königinblumen den Blick auf den Straßenverkehr versperrten. Der Wind strich durch die Bütenbüschel, sodass sich ein Regen aus rosafarbenen Blütenblättern über unseren Tisch und in meinen Schoß ergoss. Als ich nach unten schaute, um sie herunterzuwischen, griff Devlin über den Tisch, um mir eine der Blüten aus dem Haar zu zupfen.
    Bei seiner Berührung erstarrte ich. Ich hielt den Atem an. Schaute nicht auf.
    Und dann war es vorbei.
    Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, hielt seinen Bierkrug in beiden Händen und hatte offenbar nicht die geringste Ahnung, welchen Feuersturm er gerade entfacht hatte.
    »Was haben Sie gerade gesagt?« Sein Ton klang locker, doch in seinen Augen lag ein Lodern, ein schimmernder Schmelz, der seine unbeteiligte Haltung Lügen strafte, und ich sah, wie er vorsichtig ausatmete, so als versuchte er, sich in den Griff zu bekommen und kühl und reserviert zu wirken. Ich wusste zwar nicht recht, was ich daraus schließen sollte, aber die Vorstellung, dass es ihn Anstrengung kostete, in meiner Gegenwart nicht die Beherrschung zu verlieren, war erregend. Ein bisschen beängstigend, aber vor allem erregend.
    Ich schluckte. »Wir haben gerade über die schwarze Limousine gesprochen.«
    Geistesabwesend rührte ich mit dem Strohhalm in meinem Glas und versuchte, mich an das zu erinnern, was mir gerade durch den Kopf gegangen war. »Ich frage mich allmählich, ob ich auf dem Friedhof vielleicht irgendetwas gesehen habe, von dem ich gar nicht weiß, dass ich es gesehen habe. Oder vielleicht ist auf den Fotos von Oak Grove etwas zu sehen, was uns nur noch nicht aufgefallen ist.« Ich stockte, denn auf einmal spürte ich etwas Dunkles in der Brise, als wäre sie der Vorbote einer fernen Sturmwolke. »Was, wenn Tom Gerrity recht hatte? Was, wenn das, was ich über Friedhöfe weiß, der Schlüssel ist, um den Mörder zu finden?«
    Devlin hatte seinen Bierkrug gerade zum Mund führen wollen, doch jetzt stellte er ihn mit einem dumpfen Laut wieder auf den Tisch. Sein Blick verhärtete sich, und plötzlich erinnerte ich mich, was er mir über den Privatdetektiv erzählt hatte. Ein Fall war in die Hose gegangen, und ein anderer Cop war wegen Gerrity ums Leben gekommen.
    Kein Wunder, dass ihn schon die bloße Erwähnung des Mannes aufzubringen schien.
    »Wenn Sie dem, was Tom Gerrity von sich gibt, irgendeine Bedeutung beimessen, dann kriegen Sie Ärger«, sagte er.
    »Hatte er recht, was Hannah Fischer angeht?«
    Devlin schaute weg, und seine Augen funkelten vor Wut.
    »Er hatte recht, oder?«, bedrängte ich ihn weiter.
    »Ja, er hatte recht. Mrs Fischer hat die Leiche heute Morgen identifiziert.« Er sah aus, als bereite es ihm körperliche Schmerzen, das zuzugeben.
    »Die arme Frau. Das muss schlimm für sie gewesen sein. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie schrecklich das sein muss, die Leiche des eigenen Kindes zu sehen   …« Das letzte Wort blieb mir im Halse stecken.
    Die Wut in Devlins Blick wich dem dumpfen Glanz von etwas, das zu tragisch war, um darüber nachzudenken, zu traurig, um es anzusehen. Alle Kraft verschwand aus seinen Zügen, und sein Gesicht wurde so unbewegt und starr, dass es auf einmal aussah wie ein Dummy aus Pappe. Wir brauchten nur noch eine Weile hier sitzen zu bleiben, dachte ich, und auch der letzte Tropfen Leben würde aus ihm heraussickern. Die Ringe unter seinen Augen waren schon dunkler geworden, seine Wangen waren eingefallen. Er sah jetzt selbst aus wie ein Geist. Bleich, hager,

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