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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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meinem Rücken herumzuschnüffeln.«

ZWEIUNDZWANZIG
    Devlins Wut traf mich tief. Mit Ablehnung konnte ich noch nie gut umgehen, und ich hatte auch nicht gelernt, Kritik an mir abprallen zu lassen. Manchmal fragte ich mich, ob mein fast zwanghaftes Bedürfnis, es jedem recht zu machen, damit zu tun hatte, dass ich adoptiert worden war. Vielleicht war diese Überkompensation aber auch nur eine Reaktion auf die Regeln meines Vaters und auf die Schwermut meiner Mutter.
    Was auch immer der Grund sein mochte, ich wusste jedenfalls, dass ich, wenn ich nach Hause gefahren wäre, den Rest des Tages in düsterer Stimmung verbracht hätte, deswegen rief ich an jenem Nachmittag Temple an und fragte sie, ob sie sich mit mir auf einen Drink treffen wolle.
    Wir einigten uns auf ein Lokal mit Blick auf den Hafen, und als ich dort ankam, saß sie schon auf der Terrasse und beobachtete die anlegenden Segelboote.
    »Da bist du ja«, meinte sie, als ich mich ihr gegenübersetzte.
    »Bin ich zu spät?«
    »Nein, ich war zu früh.« Sie griff nach ihrem Drink in einem hohen, geeisten Glas, in dem ein Gebräu war, das so aussah, als wäre jede Menge Alkohol darin, und nippte daran. »Nachdem ich zehn Tage lang angehende Bachelor gehütet habe, brauchte ich das hier dringender als du. Obwohl   …« Sie legte den Kopf schräg. »Du siehst leicht überhitzt aus.«
    »Sommer im tiefen Süden. Was erwartest du da?«
    »Mmh, schon, nur dass du gar nicht schwitzt.«
    »Das gehört sich ja auch nicht in diesem Teil des Landes, hast du das vergessen? Hier unten glüht man vor sich hin.«
    Sie winkte nach dem Kellner, hörte dabei aber nicht auf, mich prüfend zu mustern.
    »Was ist?«, fragte ich.
    Sie zuckte mit den Achseln. »Irgendetwas an dir ist anders als sonst. Aber ich kann nicht sagen, was.« Sie wartete, bis ich dem Kellner gesagt hatte, was ich gern hätte, dann beugte sie sich vor. »Hast du mit Devlin geschlafen?«
    »Ich kenne ihn doch kaum! Und seit heute«, fügte ich leicht niedergeschlagen hinzu, »ist die Möglichkeit, dass sich daran jemals etwas ändert, sogar noch geringer als bei unserem letzten Gespräch.«
    »Was ist passiert?«
    »Etwas ziemlich Blödes.« Ich rieb mir mit der Hand über die Stirn. »Ich schäme mich fast, es dir zu erzählen.«
    Das Glas in der Hand stützte sie einen Ellbogen auf die Tischplatte und wartete.
    »Ich bin gestern nach Beaufort County gefahren, um die Gräber seiner Frau und seiner Tochter zu besuchen.« Ich blickte auf, um zu sehen, wie sie reagierte.
    Sie zog eine Augenbraue hoch. »Und warum hast du das getan?«
    »Ich weiß es nicht. Aus Neugier, schätze ich. Auf dem Friedhof habe ich Mariamas Großmutter getroffen   – sie ist übrigens eine Kräuterheilerin   – und ein kleines Mädchen namens Rhapsody, Mariamas Großcousine. Jedenfalls muss eine der beiden Devlin erzählt haben, dass ich dort war, und jetzt ist er wütend, weil ich meine Nase in seine Privatangelegenheiten gesteckt habe, und ich könnte vor Scham im Boden versinken.«
    »Wenn das das Schlimmste ist, was du je einem Mann angetan hast, bist du offenbar noch nie verliebt gewesen«, meinteTemple mit einem Achselzucken. »Aber ich verstehe immer noch nicht, warum du diese Gräber besucht hast. Was hast du denn damit zu erreichen gehofft?«
    »Nichts. Ich wollte einfach nur sehen, wo sie begraben liegen.«
    »Und jetzt ist Devlin sauer auf dich.« Sie ließ sich die Angelegenheit einen Moment lang durch den Kopf gehen. »Was gedenkst du dagegen zu unternehmen?«
    »Ich denke, ich warte, bis der Sturm sich wieder legt.«
    »Die fatalistische Methode. Davon bin ich nicht begeistert.«
    Ich seufzte. »Was würdest du denn tun?«
    »Ich würde alles tun, damit er Mariama vergisst   – zumindest für eine Nacht. Aber ich bin ja auch ich. Von dir wäre das sicher ein bisschen zu viel verlangt.«
    Ihre freundliche Hänselei war mir zu hoch. »Ich will nicht, dass er Mariama vergisst. Warum sollte ich das wollen?« Ich dachte an meine Begegnung mit Mariamas Totengeist und erschauerte.
    Temple sah mich über den Rand ihres Glases hinweg an. »Ich sagte für eine Nacht.«
    Der Kellner brachte meinen Drink, und ich nutzte die Gelegenheit, um das Thema zu wechseln. »Wieso warst du eigentlich so schnell hier? Da musst du ja schon in der Stadt gewesen sein.«
    »War ich auch. Wir sind früh fertig gewesen, und jetzt kann ich mich die nächsten Tage einfach nur an den Pool legen und ein bisschen Sonne tanken. Na ja, abgesehen

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