Totenhauch
leblos.
Erschüttert wandte ich den Blick ab.
Es dauerte einen Moment, bis wir beide wieder in einen annähernd normalen Zustand zurückfanden.
»Mrs Fischer ist aufs Revier gekommen und hat eine Aussage gemacht«, sagte er schließlich mit gepresster Stimme.
Ich nickte. »Konnten Sie mit ihr sprechen?«
»Ja.« Er hob seinen Bierkrug, und unsere Blicke trafen sich über den Rand des Glases hinweg. Es kostete mich einige Mühe, nicht wegzuschauen.
»Hat sie Gerritys Geschichte bestätigt?«
»Im Großen und Ganzen ja. Sie hatte ihn angeheuert, damit er nach Hannah sucht. Mrs Fischer hatte schon eine ganze Weile den Verdacht, dass ihre Tochter in einer Beziehung war, in der sie misshandelt wurde. Und da hat es wohl schon so einige gegeben, angefangen mit der Beziehung zu ihrem Vater.«
»Dann ist derjenige, mit dem Hannah zusammen war, in jedem Fall ein Tatverdächtiger, oder? Hat die Mutter Ihnen erzählt, wer der Mann ist?«
»Sie wusste nicht, wie er heißt. Hannah hat ihn nie mit nach Hause gebracht, sie hat noch nicht einmal über ihn geredet. Sie wusste, dass ihre Mutter ›versuchen würde, sie zu retten‹, wie sie es ausdrückte.«
»Na ja, die Informationen bringen Sie ja nicht gerade viel weiter, oder?«
»Ein bisschen schon. Durch ein paar von Hannahs Freunden ist es mir gelungen, den Mann ausfindig zu machen. Er hat ein hieb- und stichfestes Alibi.«
»Wie hieb- und stichfest?«
»Er saß im Gefängnis, als der Mord passiert ist. Der Typ ist ein widerlicher Kerl, und ich glaube gern, dass Hannah so große Angst vor ihm hatte, dass sie versucht hat wegzulaufen. Aber er kann sie nicht getötet haben.«
»Damit stehen wir also wieder ganz am Anfang. Und da dieser Teil von Gerritys Geschichte gestimmt hat«, sagte ich gedehnt, »sollten Sie da nicht auch dem Glauben schenken, was er über mich gesagt hat?«
Devlin seufzte. »Ich möchte Sie nicht noch tiefer in diese Geschichte hineinziehen. Sie stecken sowieso schon tief genug drin. Außerdem ist das, was Gerrity über den Friedhof gesagt hat, nur eine reine Vermutung von ihm. Ein Hellseher ist er nicht. Er war noch nicht einmal ein besonders scharfsinniger Cop.«
»Diese Einschätzung würde er nicht teilen. Mir hat er nämlich erzählt, seine Großmutter sei überzeugt, dass er eine Gabe hat. Deshalb würde man ihn den Propheten nennen …«
Devlins Hand schoss vor und fasste nach meiner, sodass ich sprachlos war vor Schreck. Dann beugte er sich über den Tisch. »Hat er Ihnen gesagt, Sie sollen mir das ausrichten?«
Jetzt war sein Gesichtsausdruck nicht mehr leer. Mordlust sprühte aus seinen Augen und belebte seine Züge auf eine Weise, wie ich es bisher noch nicht bei ihm gesehen hatte.
»Was? Nein. Nicht ausdrücklich. Ich bin einfach davon ausgegangen, dass alles, was er mir erzählt hat, zu der Nachricht gehörte die ich Ihnen übermitteln soll.«
»Davon haben Sie vorgestern auf Oak Grove aber kein Wort gesagt.«
»Ich hatte es vergessen.« Ich entzog ihm meine Hand. »Was ist denn daran so schlimm? Es ist doch bloß ein Spitzname, oder?«
»Es ist ein Spitzname, aber es ist nicht sein Spitzname. Er hat ihn benutzt, weil er wusste, dass mir das an die Nieren gehen würde.«
»Inwiefern sollte Ihnen das an die Nieren gehen?«
»Das ist nicht wichtig.« Es sah allerdings so aus, als hätte er Mühe, seine Gefühle in den Griff zu bekommen. Das war eine weitere, ganz andere Seite an ihm, die ich bisher noch nicht erlebt hatte. Diese Kontrollverlust-Seite.
Ich fröstelte.
»Sie klingen so wütend, wenn Sie über ihn reden. Was hat er Ihnen denn getan?«
»Das ist eine Sache, die nur ihn und mich etwas angeht.« Mit seinen dunklen Augen blickte er über den Straßenverkehr. »Themenwechsel. Gibt es sonst noch etwas, über das Sie gern sprechen würden?«
»Ja. Könnten wir noch einmal kurz auf Hannah zurückkommen? Ich weiß, dass Sie mir nicht alles erzählen dürfen, was Sie wissen, aber falls der Mörder eine schwarze Limousine fährt, könnte ich in großen Schwierigkeiten stecken. Deshalb gibt es da ein paar Dinge, die ich gern wissen möchte.«
»Als da wären?«
»Wie ist sie gestorben?«
Nur ein unmerkliches Zögern, während er überlegte, wie viel er mir sagen durfte. »Exsanguination. Wissen Sie, was das ist?«
»Im Prinzip heißt das, dass sie verblutet ist.«
»Im Prinzip, ja.«
»Und wie?«
»Ich werde Ihnen keine Einzelheiten erzählen. Das sind Dinge, die Sie nicht wissen müssen.« Als ich etwas
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