Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Totenhaut

Titel: Totenhaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Simms
Vom Netzwerk:
dem Keks auf dem Nachttisch, brach ein Stück ab und zerkrümelte es auf der Bettdecke. Hüpfend und flügelflatternd landete der Vogel nur Zentimeter von den roten Fingernägeln entfernt auf dem Bett. Er pickte einen Krümel auf, blickte auf und umher, dann pickte er noch einen.
    Abgesehen von einem gelegentlichen Lidschlag hätte der Patient eine Statue sein können. Oder eine Leiche.
    Schritte kamen die Treppe herauf, der Vogel unterbrach sein Picken und lauschte. Als die Tür sich öffnete, schoss er wieder zum Fenster hinaus.
    Dawn trat beiseite, damit Dr. Eamon O’Connor an ihr vorbei ins Zimmer gehen konnte. Der Patient versuchte zu lächeln.
    Dr. O’Connor ging langsam um das Bett herum, fegte die Krümel von der Decke und setzte sich. »Okay, dann nehmen wir mal diese Verbände ab und schauen, wie Ihr Gesicht verheilt.«
    »Wird es weh tun?«, fragte der Patient, und seine Finger nestelten am Kragen seines Nachthemds.
    »Nicht die Spur«, versicherte O’Connor und öffnete seine Aktentasche. Mit einem antiseptischen Tuch reinigte er methodisch seine Hände, dann nahm er eine Schere aus rostfreiem Stahl heraus. »So, jetzt das hübsche Köpfchen schön stillhalten, damit ich die Verbände durchtrennen kann.«
    Die Schneidblätter der Schere schoben sich übereinander, und die äußerste Gazeschicht fiel ab.
    »Gut«, sagte O’Connor und legte die Schere weg. Er griff ein loses Ende auf und wickelte langsam die Verbandschichten ab, die den unteren Teil des Gesichts seines Patienten bedeckten.
    Als er das Ende erreichte, waren Flecken zu sehen, die eine wässerige braune Feuchtigkeit verursacht hatte. »Es sondert sich noch immer ein bisschen Wundflüssigkeit ab, aber das war zu erwarten. Nehmen Sie weiter das Antibiotikum, das ich Ihnen verschrieben habe.«
    Vorsichtig löste er das letzte Stück. Zum Vorschein kam ein ovales Kinn, das verunstaltet war durch eine dünne Schnittwunde, die den ganzen Kieferknochen entlanglief und von einem Dickicht unglaublich feiner Stiche zusammengehalten wurde. Weitere Verbände hielten zwei Schienen zu beiden Seiten der Nase des Patienten fest.
    Dawn betrachtete dieses Gesicht voller Zärtlichkeit. Die maskulinen Kanten waren fast völlig beseitigt worden.
    Sie dachte, dass die weiblichen Züge viel besser zu ihm passten.
    O’Connor beugte sich vor, um das Werk seiner Hände zu überprüfen. »Ausgezeichnet, wenn ich das selbst sagen darf.«
    Die Augen des Patienten waren weit aufgerissen. »Werden Narben bleiben?«
    O’Connor schüttelte den Kopf. »Bei einer solchen Naht? Gehen Sie nicht in die Sonne und verwenden Sie die Creme, die ich Ihnen geben werde, dann wird kein Mensch etwas merken. Und jetzt, meine Liebe, schauen wir uns Ihre Nase an.«
    Er nahm eine Pinzette aus seiner Aktentasche und zupfte damit die Gaze weg. Dann schob er eine Schneide der Schere darunter und schnipselte vorsichtig nach oben.
    Der Patient saß aufrecht im Bett, die Augen fest geschlossen.
    Sanft zog der Arzt den Verband beiseite und entfernte die kleinen Schienen. Zum Vorschein kam eine geschwollene Nase. Die Haut war so straff gespannt, dass sie glänzte. Hässliche Blutergüsse breiteten sich darunter aus und färbten die Haut unter den Augen des Patienten lilagelb.
    »Stillhalten, wir haben’s gleich geschafft.« O’Connor holte eine Stiftlampe aus seiner Tasche, beugte sich vor und leuchtete damit dem Patienten in die Nasenlöcher.
    »Können Sie durch die Nase atmen?«
    »Gerade so. Aber das rechte Nasenloch fühlt sich verstopft an.«
    O’Connor nickte. »Sieht mir nach eingetrocknetem Blut aus, und nicht, als ob der Knorpel sich so stabilisiert hätte. Dawn, könnten Sie warmes Wasser und ein Handtuch holen?«
    Sie sprang auf und ging ins Badezimmer.
    »Dann wird also alles gut, Herr Doktor?«
    O’Connor lächelte die ängstlich wirkende Gestalt im Bett an. »Aber natürlich. Wir haben doch darüber gesprochen, dass es einige Höhen und Tiefen gibt auf dem Weg, das zu werden, was Sie sein wollen. Sie machen das sehr gut, und ich bin jedenfalls hochzufrieden mit dem bisherigen Verlauf.«
    Dawn kam zurück ins Zimmer. »Hier, Herr Doktor.«
    »Danke.« Er legte dem Patienten das Handtuch wie ein Lätzchen auf die Brust und prüfte das Wasser mit dem Zeigefinger. Dann zog er ein Wattestäbchen aus einem kleinen Behälter und tauchte es in die Schüssel. Er führte das Ende in das rechte Nasenloch des Patienten ein und drehte es sehr langsam. Als er es herauszog, war es

Weitere Kostenlose Bücher