Totenhaut
war, hatte sie einen Schönheitswettbewerb gewonnen und seit damals eine Karriere als Model angestrebt.
Doch ihre Körpergröße hatte die eins siebzig nie überschritten, und damit lebte sie in einer anderen Welt als die Naomis, Giseles und Carmens. In jüngster Vergangenheit hatte sie sich, hungrig nach bezahlter Anerkennung ihrer Schönheit, im Tempters vorgestellt. Doch die Geschäftsführung hatte ihre Hoffnung auf eine Stelle als Oben-ohne-Bedienung mit der Bemerkung zunichte gemacht, dass sie, um dort einen Job zu bekommen, ihre Oberweite erst einmal um ein, zwei Körbchengrößen ausbauen müsse.
Das war die Ursache für den Streit gewesen. Tyler hatte gesagt, sie würde das Geld, das ihr Ticket nach Lanzarote kostete, lieber für eine kosmetische Operation verwenden. Ihre Eltern hatten es abgelehnt, auch nur darüber nachzudenken, und sie war aus dem Haus gestürmt.
Jetzt stand Jon da und betrachtete ihren Brustkorb. Die Haut ihrer Brüste war abgezogen, die Brustmuskulatur unter der wachsartigen Schicht der Faszien erkennbar.
Konnte Pete Gray das getan haben? Tyler war nicht wie die ersten beiden Opfer. Schon allein deshalb, weil sie über zwanzig Jahre jünger war. Der einzige Weg für Pete Gray, an ein Mädchen wie Tyler ranzukommen, wäre dafür zu zahlen gewesen. Hatte sie sich auf das Spiel eingelassen, um ihre Operation zu bezahlen? Die Arme in der kühlen Luft des Leichenschauhauses an den Körper gepresst, klopfte er sich mit einem Finger aufs Kinn.
Oder war sie die Prostituierte von dem Überwachungsband, auf dem Gordon Dean zu sehen war? Er schloss die Augen und versuchte, seine Gedanken zu durchkämmen.
Irgendwo ging eine Tür auf, und er hörte den metallischen Klang eines Rollwagens, der einen Flur entlanggeschoben wurde. Gleich darauf teilten sich die Plastikvorhänge, und die fahrbare Bahre kam herein, zwei Labortechnikerinnen hinterdrein. Als sie neben einem Autopsietisch aus rostfreiem Stahl stehen blieben, warf Jon einen Blick auf den Glasfaserbehälter auf dem Rollwagen. »Wenn Sie hier unten bleiben wollen, sollten Sie sich vielleicht die Nase zuhalten.« Dieser Rat kam vom Pathologen, der den Saal soeben in vollem Schutzanzug betreten hatte.
»Was ist das?«, fragte Jon.
»Der ist im Manchester-Schiffskanal aufgetaucht, direkt vor dem Terrassenrestaurant des Lowry-Komplexes. Hat einer Menge Leute das Abendessen verdorben.«
»Eine Wasserleiche?«, erkundigte sich Jon. »Ich glaube, ich verzieh mich ins Goldfischglas.«
»Eine weise Entscheidung. Er war eine gute Woche drin, würde ich sagen.« Der Pathologe nickte in Richtung Tylers Leiche. »Können wir sie wegpacken?«
»Ja, danke.« Jon verließ den Autopsiesaal und ging in den Zuschauerraum. Auf dem Weg dahin überlegte er, wie er Rick beibringen sollte, dass er Pete Gray observiert hatte. Im Saal öffneten die Laborantinnen den Behälter und hievten eine Plastikplane, in der die Leiche steckte, auf den Autopsietisch.
Der Pathologe bereitete seine Instrumente auf einem Nebentisch vor, während eine seiner Assistentinnen das Klebeband durchschnitt, das die Plane verschloss. Dann zog sie die Plane ab, und zum Vorschein kam ein monströs aufgetriebener Leib, dessen gelbe Haut von einem Netz blauer Linien durchzogen war. Er lag in Fötalposition da, die Fußknöchel und Handgelenke zusammengebunden.
Lieber Himmel, dachte Jon, der noch immer nicht das Gruseln darüber verlernt hatte, wie der Tod den menschlichen Körper in eine schaurige Parodie seines einstigen Selbst verwandeln konnte. Er verzog das Gesicht, als die Assistentin vorsichtig den Asservatenbeutel abstreifte, den der Pathologe über den Kopf des Opfers gezogen hatte. Der Hals war verdreht, das augenlose Gesicht ein Klumpen Marshmallows, das kurze, braune Haar auf dem Kopf sah aus wie eine Scheitelkappe.
Das reichte. Jon wollte gerade gehen, da fiel sein Blick auf ein rotes Mal auf dem Gesäß der Leiche. Er blieb stehen und drückte auf den Knopf der Sprechanlage. Seine Stimme ertönte durch den Lautsprecher im Autopsiesaal.
»Entschuldigung. Könnte sich jemand das Mal auf seinem Hintern ansehen?«
Eine der Labortechnikerinnen trat an den Tisch und beugte sich über die Leiche. »Ich glaube, das ist das Tattoo eines roten Teufelchens. Eine kleine Figur mit einem Dreizack in der Hand.«
Es durchfuhr Jon wie ein elektrischer Stoß. »Ich kann das von hier nicht sehen, aber gibt es vielleicht noch eine Tätowierung auf dem Schulterblatt?«
Sie ging zum
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