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Totenhaut

Titel: Totenhaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Simms
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der ihn behandelt, es für Geld macht, und nicht mal teuer. Ich glaube, er liebt die Herausforderung.«
    Sie bemerkte Fionas skeptischen Blick. »Er ist kein Kurpfuscher. Er hat seine eigene Klinik und kennt sich wirklich aus.« Sie zwinkerte Fiona zu. »Sieht auch klasse aus, auf Altherrenart.«
    »Wie alt?«, fragte Fiona, schon mehr interessiert.
    »Ende fünfzig, schätze ich. Ruf ihn doch an und schildere ihm deine Situation. Ich glaube wirklich, dass er dich behandeln würde. Würde dich wahrscheinlich auch erst dann zahlen lassen, wenn du kannst. Einen Versuch wär’s doch wert, meinst du nicht?«
    Fiona fuhr mit dem Finger über die erhabene Linie aus beschädigtem Gewebe. »Er kann so etwas wegmachen?«
    »Mein Gott, ja«, versicherte Dawn eifrig. »Ich habe gesehen, was er alles kann. Es ist wirklich unglaublich.« Sie stand auf und taumelte von dem Alkohol, der ihr zu Kopf gestiegen war. »Er heißt Dr. O’Connor. Ich schreibe dir seine Adresse auf.«
    Fiona trank ihr Glas leer. »Na gut. Es schadet ja nichts, mal vorbeizuschauen.«
     
    Als Fiona am nächsten Morgen erwachte und sich umsah, stellte sie zu ihrer Erleichterung fest, dass sie sich in dem winzigen Zimmer befand, das ihr Zuhause war. Die Ginflasche auf dem Tisch wirkte auf ihre Augen wie ein Magnet. Augenblicklich fing sie an, sich Sorgen zu machen, dass sie nicht genügend Geld hatte, sich die nächste zu kaufen? Sie warf die Decke von sich, zog ihren Morgenmantel an, schlurfte zur Tür und spähte hinaus. Auf dem Brett im Hausflur sah sie Post liegen. Zwei Briefe davon waren für sie. Ihr amtliches Aussehen verhieß nichts Gutes.
    Sie ging zurück in ihr Zimmer, machte Kaffee und setzte sich an den Tisch. Die Briefe lagen neben ihrem Ellbogen, doch sie wagte nicht, sie zu öffnen, vielleicht waren es ja weitere Geldforderungen. Das Kinn auf die Hand gestützt, sah sie den Dampfwölkchen zu, die von ihrem Kaffee aufstiegen. Es gab keine Milch mehr im Kühlschrank, das Brot war ihr bereits am Vortag ausgegangen, und die Zigarettenschachtel war leer.
    Ihre Gedanken wanderten zurück zu dem Moment, als sie im Hotelzimmer des Vertreters aufgewacht war. Jetzt endlich gestand sie sich ein, dass sie nur mit ihm geschlafen hatte, weil das ihre Chance auf mehr Alkohol gewesen war.
    War das wirklich so schlimm? Sie hatte sich prächtig amüsiert und eine Weile all ihre Sorgen vergessen.
    Um die Wahrheit zu sagen, hatte sie sich weit besser amüsiert als seit Jahren mit ihrem Mann. Mit Bitterkeit dachte sie über ihre Ehe nach. Wie oft hatte sie Sex mit ihm über sich ergehen lassen, ohne es selbst zu wollen oder das geringste Verlangen zu verspüren? Und wofür? Für eine unterdrückte Existenz hinter der Fassade eines ehrenwerten Hauses, wo ihr selbst verdientes Geld rationiert und jede ihrer Bewegungen überwacht wurden.
    Im Vergleich dazu war die Nacht mit dem Vertreter das reinste Vergnügen gewesen. Er hatte sie wenigstens mit Respekt behandelt.
    Sie starrte die leere Ginflasche an, dann nahm sie ihr Portemonnaie zur Hand. Ganz hinten steckte die Karte mit der Nummer von Cheshire Consorts. Sie erinnerte sich, was Joanne zu dem Mädchen am Telefon gesagt hatte. Einhundertfünfzig Pfund für eine Stunde. Es wirkte so seriös, so legal. Man traf sich in Hotels und, Herrgott noch mal, die Männer zahlten mit Kreditkarte. Da lagen Welten zwischen diesem Arrangement und der Art, wie die armen Dinger, die sie auf der Minshull Street gesehen hatte, bei Wind und Wetter ihren Unterhalt verdienten.
    Sie wollte ihr Handy einschalten, doch dann fiel ihr ein, dass der Akku schon vor Tagen den Geist aufgegeben hatte. Sie sah in ihrer Börse nach und konnte gerade genug für einen Anruf vom Münztelefon im Hausflur zusammenkratzen.
    »Hallo, Joanne? Hier ist Fiona Wilson. Ich war vor etwas über einer Woche bei Ihnen …«
    »Ja, ich erinnere mich. Was kann ich für Sie tun, Fiona?«
    Sie holte tief Atem, um das Zittern in ihrer Kehle zu unterdrücken. »Na ja, als ich bei Ihnen war, da sagten Sie, wenn ich mich wieder berappelt habe …«
    »Habe ich gesagt. Und haben Sie? Ist die Schwellung in Ihrem Gesicht weg?«
    »Ja«, flüsterte Fiona und berührte den Riss auf ihrer Stirn.
    »Und wie sieht’s mit Ihrer Garderobe aus?«
    »Ich war zu Hause und habe alle meine Kleider mitgenommen.«
    »Dann haben Sie also jetzt eine eigene Wohnung?«
    »Ja.«
    Eine Sekunde herrschte Schweigen. »Dann würde ich Sie gerne bei mir sehen.«
    Fiona sagte nichts.
    »Fiona?

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