Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Totenhaut

Titel: Totenhaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Simms
Vom Netzwerk:
hatte, war immer noch eine tiefe, schmerzhafte Wunde. Sie hatte eine glückliche Kindheit gehabt, unterstützt und gefördert von einer Mutter und einem Vater, die sie kaum je hatte streiten hören. Deshalb war es umso schlimmer für sie, als ihr langsam klar wurde, dass ihrer Ehe mit Jeff nicht derselbe Erfolg beschieden war. Sie hatte ihn geheiratet, als sie noch keine zwanzig war. Zuerst hatte sich alles gut angelassen. Er hatte nach der Uni eine passende Stelle in einem Büro für Vermessungstechnik gefunden, und sie hatte ihre Ausbildung zur Kosmetikerin und Masseurin abgeschlossen. Dann war sie schwanger geworden und zu Hause geblieben. Mit der Geburt ihrer Tochter wurde für Jeff die Arbeit immer wichtiger. Man hatte ihm neue, verantwortungsvollere Aufgaben übertragen, die ihm immer längere Arbeitszeiten abverlangten. Zeiten, die er anscheinend nur zu gern ableistete.
    Allmählich kam er immer später nach Hause, und oft roch er nach Whisky. Das sei nur eine Art, sich zu entspannen, versicherte er ihr. Die Chefs ermunterten ihre Mitarbeiter, den Kontakt außerhalb des Büros ein wenig zu pflegen.
    Doch seine Beförderung kam nie, und er wurde immer reizbarer. Er fing an zu kontrollieren, wie sie mit dem Haushaltsgeld umging. Ständig prüfte er die Rechnungen. Sie verdiente kein eigenes Geld mehr, und er flößte ihr Schuldgefühle ein, weil sie Geld ausgab, das, wie er wiederholte, nicht das ihre sei. Das Gleichgewicht in ihrer Beziehung hatte sich verschoben, und ihre Rolle hatte sich mehr und mehr zu der einer Untergebenen entwickelt. Und eines Tages erkannte sie mit einer Mischung aus Verwunderung und Ernüchterung, dass ihre Ehe der ihrer Eltern glich. Ihr Vater der Ernährer der Familie, ihre Mutter die Hausfrau. Nur dass ihre Mutter nie den Eindruck gemacht hatte, sie sei mit ihrer Rolle nicht zufrieden. Vielleicht war es ja egoistisch von ihr, Fiona, mehr zu wollen. Also behielt sie ihre Zweifel für sich, spielte die glückliche Mutter und hoffte, alles würde sich wieder zum Besseren wenden.
    Dann kam der Tag, an dem er sie schlug. Eine einfache Bewegung seines Arms, doch sie setzte eine Reihe von Ereignissen in Gang, die letztendlich zum Tod ihrer Tochter führte. Danach zog er sich in sein Schneckenhaus zurück, trank immer mehr und forderte Rechenschaft für jeden Penny, den sie ausgab. Seine Einwilligung, dass sie wieder arbeiten gehen durfte, konnte sie ihm nur unter großen Mühen abringen. Er fürchtete, dadurch die Kontrolle über sie zu verlieren, und eine paranoide Furcht begann ihn zu verzehren: »Du wirst mich verlassen … Du wirst einen anderen kennenlernen … Reicht das, was ich verdiene, vielleicht nicht mehr?«
    Viele Jahre lang vergriff er sich nicht mehr an ihr. Doch mit der Zeit wurden aus der psychischen Drangsalierung eine physische. Anfangs schubste er sie nur oder versetzte ihr leichte Schläge mit der offenen Hand. Dann wurden die Schläger fester. Und schließlich schlug er mit der Faust zu.
    Sie dachte an ihre Eltern. Nach der Beerdigung ihrer Tochter hatte sie sie aus ihrem Leben ausgeschlossen. Zu sehr schämte sie sich einzugestehen, wie es zu dem Unfall gekommen war. Doch sie hatten gewusst, dass etwas nicht stimmte. Fiona konnte es nicht mehr ertragen: das Drängen ihrer Mutter, die wütenden Blicke ihres Vaters.
    Beide waren nicht in der Lage, ihr zu helfen, solange sie nicht zugab, dass sie ein Problem hatte. Jetzt hätte sie gerne alles wieder ins Lot gebracht, doch ihr Stolz hielt sie davon ab, ihre Eltern anzurufen. Das würde sie erst tun, wenn sie wieder auf beiden Füßen stand.
    Ihr Zimmer lag im Erdgeschoss eines großen viktorianischen Hauses in Fallowfield. Die Gegend war von Studenten bevölkert, die Buswartehäuschen ständig von Leuten in verwaschenen Jeans, schlabberigen Oberteilen und ausgelatschten Sportschuhen belagert. Sie fand amüsant, wie und womit sie ihre Bücher herumschleppten.
    Manche nahmen einfach Sporttaschen, andere entschieden sich für Leinensäcke im Ethnostil. Richtige Mappen mieden alle wie der Teufel das Weihwasser, aber das würde sich mit der Zeit schon geben. Sie lächelte wehmütig bei dem Gedanken, wie Emily wohl ihre Bücher transportieren würde, wenn sie noch am Leben wäre.
    Sie fuhr rückwärts in den Hof hinter dem Haus, so dass der Wagen mit dem Kühlergrill zur Straße stand, und holte den Reserveautoschlüssel aus ihrem Portemonnaie.
    Dann stieg sie aus, vergewisserte sich, dass niemand sie beobachtete, und schob

Weitere Kostenlose Bücher