Totenhaut
und unten neben der Wand liegen blieb. Er schaltete das Licht ein und stieg die Treppe hinunter. Fiona folgte ihm zögernd.
»Da unten steht alles Mögliche rum«, erklärte er und deutete auf das Durcheinander von Kartons. »Alte Klamotten, ausrangierte tragbare Fernseher, Schallplatten, Lehrbücher, Ordner. Brauchen Sie eine Kasserolle? Da drüben in der Ecke steht eine ganze Kiste voll.«
Fiona sah sich um und zog den Kopf ein beim Anblick der riesigen Spinnennetze, die zwischen den frei liegenden Balken über ihrem Kopf hingen. Raymond kippte die Matratze auf eine Seite und schob sie über den staubigen Boden in einen Nebenraum. In der Mitte des Raums stand ein Tisch, dessen Platte aussah, als sei sie aus Stein.
»Du liebe Zeit, was ist das denn?«, fragte Fiona.
Raymond lehnte die Matratze daran. »Dieses Haus wurde bestimmt für einen reichen Kaufmann gebaut. Dieser Raum hier war die Speisekammer. Damals, als es noch keine Kühlschränke gab, bewahrten die Köche das Fleisch hier auf.« Er schlug mit der Hand auf den nackten Stein.
»Hier unten ist es immer kühl. Sehen Sie die Rinne, die um die ganze Platte herumläuft? Das Fleisch wurde mit Musselin bedeckt und hin und wieder mit Wasser übergossen. So konnte man es tagelang frisch halten.«
Fiona fröstelte. »Also, das wusste ich nicht.«
Zwei Stunden später zog sie sich die Gummihandschuhe von den Händen und sah sich in ihrem Zimmer um. So war es schon besser. Ein Strauß Blumen auf dem Fensterbrett, eine dicke Decke auf dem Bett, die Knickfalten auf dem Bezug noch gut sichtbar.
Wieder ertappte sie sich dabei, dass sie den Koffer sehnsüchtig ansah. Nein, dachte sie. Eine gründliche Staubsaugerbehandlung, das ist es, was hier noch fehlt. Sie lächelte. Das war der perfekte Vorwand, um im Salon vorbeizuschauen. Melvyn hatte bestimmt nichts dagegen, wenn sie sich den Dyson auslieh.
»Hallihallo«, zwitscherte sie, als sie den Laden betrat. Der besorgte Ausdruck in Melvyns Gesicht war ihr nicht entgangen, auch wenn er gleich einem Lächeln gewichen war.
»Fiona!«, rief er. Mit einem Blick hatte er ihre Designerjeans und die frisch gebügelte weiße Bluse registriert.
»Du siehst von Tag zu Tag ficktiefer aus. Wenn ich nicht schon am anderen Ufer säße …«
»Ach, hör doch auf, Melvyn«, erwiderte sie lachend.
»Tee?«
»Ja, danke.«
Melvyn wandte sich an Zoe, die gerade Lockenwickler auf einen Halter zurücksteckte. »Zoe, machst du die Mama?«
Fiona winkte ab. »Lass nur, ich übernehm das.« Ohne eine Antwort abzuwarten, ging sie hinüber zur Kochnische und holte Teetassen heraus.
»Na, wie geht’s dir denn, Schätzchen?«, fragte Melvyn über die Schulter hinweg, während er eine Haarsträhne seiner Kundin in Alufolie wickelte.
»Sehr gut, danke. Ich sehe jetzt alles viel positiver.«
»Wunderbar – so siehst du auch aus.«
»Ich bin gerade in meine eigene kleine Wohnung gezogen. Es ist nichts Großartiges, aber immerhin ein Anfang.«
»Und wo?«
»Ridley Close in Fallowfield.«
»In der Nähe vom alten Manchester-City-Stadium?«
»Genau.«
Melvyn zog das Handtuch um den Hals seiner Kundin zurecht. »Das wär’s, in einer halben Stunde schauen wir mal nach. Reichen Ihnen die Zeitschriften? Die neueste Heat muss hier auch wo sein. Da ist ein guter Artikel drin über die Teilnehmer an dieser Show über plastische Chirurgie, die demnächst im Fernsehen kommt.«
»Den hab ich schon gelesen, danke.« Sie lehnte sich in ihren Stuhl zurück und vertiefte sich in eine der Zeitschriften auf ihrem Schoß.
Melvyn kam in die Kochnische gehuscht. »Ich wette, bei dir sieht alles picobello aus.«
Fiona nickte. »So ziemlich. Eigentlich hatte ich gehofft, mir den Dyson ausborgen zu können. Wenn dann wirklich alles blitzblank ist, müsst ihr alle auf ein Glas vorbeikommen.«
»Sag, wann’s so weit ist.« Melvyn nahm die Keksdose in die Hand und schüttelte sie. »Schon wieder alle? Mein Gott, wie schnell wir die immer leerfuttern. Sei ein Schatz, Zoe, und hüpf mal schnell raus und hol neue Kekse.«
Als sich die Tür hinter ihr schloss, kam Alice aus ihrem Nebenraum. »Fiona. Hab ich’s mir doch gedacht, dass ich deine Stimme gehört habe.«
Fiona sah Alice an, und ihre Augen wurden weit. »Bist du sicher, dass du erst in ein paar Wochen Termin hast?«
Alice ließ die Schultern sinken. »Sag bloß nichts. Ich fühle mich so schon wie ein gestrandeter Wal.«
Lachend deutete Fiona auf den Wasserkocher. »Tee?«
»Danke.«
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