Totenhaut
echauffiert?«
»Das ist die, die meinte, sie habe gehört, wie eine Prostituierte erwürgte wurde. Im Zimmer neben dem ihren in diesem Motel. Sie glaubt, dass das Mädchen für eine Begleitagentur gearbeitet hat, und jetzt versucht sie, sie aufzustöbern.«
»Klingt riskant.«
»Genau«, bestätigte Jon. Er sah sich um. »Ich muss pinkeln.«
Das schummerige Licht der roten Glühbirnen in der Toilette bewirkte, dass man sich trotz der Enge des Raumes nicht gleich zurechtfand. Jon suchte nach Urinalen, sah aber nur Plakate an der Wand, die für Safer Sex warben. Dann wurde ihm klar, dass es nur Kabinen gab. Er nahm eine am Rand und verrichtete das Geschäft, zu dessen Erledigung er hierhergekommen war. Dabei fiel ihm das in Hüfthöhe gelegene Loch in der Trennwand zwischen seiner und der Nachbarkabine auf. Zuerst dachte er, dort sei der Klopapierrollenhalter abgerissen worden. Doch dann bemerkte er, dass das Loch richtig gebohrt war, und außerdem war der Rollenhalter an der Rückwand montiert.
Er zog den Reißverschluss hoch und bückte sich, um das Ganze genauer zu inspizieren. Er konnte problemlos in die Nebenkabine blicken, in deren andere Trennwand ein identisches Loch gebohrt war. Da wurde ihm klar, dass er durch eine Reihe von Löchern blickte, die von einem Ende der Toiletten bis zum anderen reichte. Plötzlich wurde die Musik lauter. Jemand war hereingekommen.
Rasch richtete Jon sich auf.
Als er zur Bar zurückkehrte, sah er zu seinem Entsetzen, dass Rick am Tresen saß und sich mit Miss Tonguelash höchstpersönlich unterhielt. Er unterdrückte den Impuls, über die Treppe zu entfliehen, ging an die Bar und nahm sein Glas in die Hand.
»Jon, das ist Miss Tonguelash.«
Die Lästerzunge drehte sich auf ihrem Hocker herum. Sie hatte die Beine übereinandergeschlagen, und der Schlitz ihres Kleides reichte hoch bis zum halben Oberschenkel.
»Sagen Sie Andrea zu mir.« Grotesk lange Wimpern klimperten Jon an, und ein Handrücken streckte sich ihm entgegen, die Finger nach unten gerichtet.
Jon hatte nicht die Absicht, ihr die Hand zu küssen. Er drückte sie leicht und sagte: »Hallo.«
Mit einem Ausdruck leiser Enttäuschung meinte sie: »Sie haben gerade Ihren Penis in der Hand gehabt. Ich hoffe, Sie haben danach das Waschbecken benutzt.«
Hatte er nicht. »Natürlich.« Er steckte die Hand in die Tasche.
Rick amüsierte sich. »Ich habe Andrea gerade nach dem Abend gefragt, für den wir uns interessieren.«
»Mmmmm«, machte sie, während sie mit einem langen Strohhalm ihren Cocktail trank. Krallenartige Fingernägel verliehen ihren Fingern ein schlankeres Aussehen. »Er hat hier unten herumgealbert, mit so einem kleinen Flittchen am Arm.«
»Eine Dünne mit braunen Haaren?«, fragte Jon.
Miss Tonguelash nickte in Richtung der Leute auf der Tanzfläche. »Was meinen Sie, welche Haarfarbe die haben?«
Jon sah hinüber. Licht flackerte auf und wieder aus und tauchte die Tanzenden nacheinander in verschiedene Farben. »Okay, ich verstehe, was Sie meinen. Aber würden Sie sagen, dass das Mädchen dunkles Haar hatte?«
»Mädchen? Ich sprach von ›Flittchen‹.«
»Na gut, dann eben Flittchen. Aber warum nennen Sie sie so?«
»Ich nehme an, sie kam nur herein, um sich bei den Gratiskondomen zu bedienen, bevor sie ihr nächstes Ziel anvisierte. Und wie es aussieht, war das Mr. Dean.«
»Sie meinen, sie war eine Prostituierte?«
»Hundert Pro, Schätzchen.«
»Und Sie haben nichts dagegen, dass sich Prostituierte in Ihrem Club rumtreiben?«
»Nicht, wenn sie herkommen, um sich Kondome abzuholen. Ich bin unbedingt für sicheren Sex, egal in welcher Form er ausgeübt wird. Sie nicht, Mr. Spicer? Für sicheren Sex?« Sie streifte mit ihren Lippen das obere Ende ihres Strohhalms und klimperte ihn mit ihren extravaganten Wimpern an.
Jon schenkte ihr ein sachliches Lächeln. »Selbstverständlich. Und sind sie zusammen weggegangen?«
»Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, aber ich halte es für sehr wahrscheinlich.«
Jon sah Rick an. »Ist das alles, was wir brauchen?«
Rick nickte. »Danke für Ihre Hilfe, Andrea.«
»Keine Ursache«, antwortete sie, ihren Blick noch immer auf Jon gerichtet. Als sie sich zum Gehen wandten, sagte sie: »Ach, eins noch.«
Sie blieben stehen und drehten sich um.
»Sie beide sind wirklich ein hübsches Paar.«
Draußen auf der Straße stieß Jon einen Seufzer der Erleichterung aus. »Herrgott, war das peinlich.«
Rick gluckste. »Ich finde, du bist
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