Totenheer (German Edition)
Völker des Westens in eine Zeit der Finsternis stürzte.“
„Wie lautet dein Name, alte Frau?“
„Ich habe schon lange keinen Namen mehr, ich bin lediglich eine Hexe, die ein Leben abseits der menschlichen Zivilisation vorgezogen hat und bei den Spinnen lebt. Eine Hexe, so ne n nen mich die Menschen Bolwariens. Doch du hast einen N a men.“
„Man nennt mich Larkyen.“
„Sage mir, Larkyen, weißt du etwas über Tarynaars Verbleib? Seit den Tagen des Krieges habe ich ihn nicht mehr gesehen, und ich warte schon so lange auf seine Rückkehr.“
„Tarynaar wird nicht zu dir zurückkehren, niemals wieder. Er ist tot.“
Sie wandte sich von Larkyen ab. Lange Zeit sah sie in die Flammen des Feuers. Ihre Augen glänzten feucht, eine Träne floss über ihre Wange.
„Mein Gemahl ist tot. Große Macht ist vonnöten, um einen Unster b lichen in einen Sterblichen zu verwandeln. Was hast du damit zu tun, woher kanntest du ihn?“
„Wir waren Weggefährten, ich nannte ihn Freund. Er starb, als wir gemeinsam gegen einen mächtigen Feind stritten. Ich habe seinen Tod gerächt!“
„Ihr wart euch sehr ähnlich, ich höre die Stimme deines Bl u tes. Gleich Tarynaar wurdest auch du von einem Kentarenweib g e boren, als die schwarze Sonne den Himmel heimsuchte.“
„Du weißt viel, alte Frau.“
„Ich bin einer der wenigen Menschen, die jemals dieses Wissen über euch Unsterbliche erlangten. Du wuchst auf und fandest irgendwann den Tod, doch er war nicht das Ende. Dein Tod besiegelte nur den Beginn eines neuen ewigen Lebens, du erhobst dich in den Rang e i nes Gottes, doch noch immer fließt durch deine Adern das Blut eines Kentaren. Du bist, was du bist, aber auch du hast eine Herkunft jenseits der schwarzen Sonne. Ich weiß dass du von weit her in den W e sten kamst und dein Weg von Dunkelheit und Blutvergießen geprägt ist. Und wenngleich dir Kentar auch fremd erscheint, du weder die Bräuche seiner Bewohner noch deren Kultur kennenlernen konntest, so fühlst du dich den Wölfen des Westens verbunden. Ja, Larkyen, ich weiß viel für eine Sterbliche.“
Die Hexe sah Larkyen wieder an; ihre Miene war wie ve r steinert, und ihre Stimme wurde von einer plötzlichen Strenge erfüllt, als sie sagte: „Ich weiß auch, weshalb du hier bist. Du kommst wegen des Wolfszepters, nicht wahr?“
Als Larkyen keine Antwort gab, fuhr sie fort: „Leugnen w ä re zwecklos, ich weiß, das es so ist. Es ist meine Gabe von G e burt an, dass ich die Absichten all jener erkenne, die mir geg e nüberstehen. Fragen stelle ich nur noch, um die Herzen von Göttern und Menschen auf ihre Ehrlichkeit zu prüfen. Mein Sohn Wulfgar, schickt dich!“
„Wie du schon sagtest, Leugnen wäre zwecklos. Das Wolfsze p ter, ist es hier bei dir?“
„Es ist in meinem Besitz, doch würde ich eher sterben als zuzula s sen, dass dieses Artefakt seinen Weg zurück in die Hände meines Sohnes findet.“
„Wenn ich dich töten muss, um das Zepter zu bekommen, dann soll es so sein.“
Wie als Reaktion auf seine Worte huschten aus dem Scha t ten der Höhle zwei Spinnen heraus, die ebenso groß waren wie die Hexe und auf deren Hinterleibern sich ein rotes Muster von der Form einer Sanduhr abzeichnete. Die Spinnen bäumten sich auf, ihre Haltung war bedrohlich. Sie stießen ein Zischen aus. Diesmal – und davon war Larkyen überzeugt – würden sie ihn angreifen.
Doch der erwartete Angriff blieb aus. Es schien, als wart e ten sie auf die Zustimmung der Hexe. Die Hexe aber tat nichts dergleichen, stattdessen sprach sie ruhig weiter: „Das Heer der Geister darf ni e mals die Grenzen Kentars verlassen. Weißt du, wie hoch die Zahl der Geister ist? Einhunderttausend! Sie ke n nen keine Furcht, kein Erbarmen, denn ihre Menschlichkeit ist gestorben, nicht aber ihr Wille zu kämpfen. Einhunderttausend kriegerische Geister.“
„Ich bin nicht den weiten Weg hierhergekommen, um zuz u lassen, dass der Westen in einen neuen Krieg getrieben wird. Sei dir gewiss, dass ich früher oder später auch deinen Sohn t ö ten werde und somit selbst all jenen, die den ewigen Schwur leisteten, ihren Frieden schenke. Doch ich brauche das Wolfsze p ter.“
„Du bist gewiss nicht freiwillig hier, Unsterblicher. Ich e r kenne den Grund, der dich dazu trieb, hierherzukommen. Wulfgars Soldaten halten jemanden gefangen, der dir lieb und teuer ist. Ja, deshalb bist du hier. Sie halten deine Gefährtin g e fangen, und du bist außerstande sie selbst zu befreien. Ihr droht
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