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Totenheer (German Edition)

Totenheer (German Edition)

Titel: Totenheer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Siebert
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sie beinahe wie zum Leben erwachte Hügel erscheinen. Die eigenartige Frie d fertigkeit sanfter Riesen ging von diesen Wesen aus. In einer dichten Herde zogen sie am gegenübe r liegenden Ufer entlang, jeder ihrer Schritte ließ den Boden erbeben. Larkyen überkam der Gedanke, dass durch derartige Tiere die Mythen und Erzä h lungen über Fabelwesen wie Drachen geschürt wu r den.
    Der Unsterbliche zog stromaufwärts. Das Ufer war zumeist eben, so dass er mühelos binnen kurzer Zeit eine große Strecke zurücklegen konnte. Er erreichte ein Gebiet, in dem sich dic h tes Spinngewebe, gleich einer grauweißen Decke, über den Erdboden sowie die Büsche und Sträucher gelegt hatte. Ve r einzelt zogen sich die Gespinste selbst zwischen den gewalt i gen Stämmen der Bäume entlang und bis hinauf in ihre Kr o nen. Aus ihnen erklang unaufhörlich das Surren von Millionen gefangener Insekten. Verirrte sich ein Sonnenstrahl an di e sen Ort, zeichneten sich ihre schwarzen Panzer neben glitzernden Tautropfen ab.
    Irgendwann sah er Spinnen, deren aufgedunsene Leiber be i nahe so groß wie Wagenräder waren. Über zwei langen, hake n förmigen Zähnen, mit denen sie ihre Beute aussaugten, saßen unter einer hügeligen Stirn dunkle Augen, in denen sich Lark y en spiegeln konnte. Auf i h ren acht langen Beinen huschten die Spinnen neben ihm entlang, als wollten sie ihm Geleit geben. Der Unsterbliche stieß auf die ausg e trockneten Überreste von Kriegern, die den gleichen Weg gegangen waren wie er und den Spinnen zum Opfer gefallen waren. Larkyen konnte nur r a ten, ob sie auch von König Wulfgar auf diese Reise gesandt worden oder andere Gründe gehabt hatten, den ewigen Wald zu betreten. Ganz gleich, wie viele Spinnen es an diesem Ort auch gab und wie hungrig sie auch waren – für den Unsterblichen stellten sie keine Gefahr dar.
    Schon bald ersetzten bizarre Felsgebilde die Bäume. K o chendheiße Bäche ergossen sich dampfend aus der Tiefe und mündeten in den Fluss. Jegliche Vegetation hielt sich großz ü gig von hier fern. Auch die Spinnweben waren weniger dicht. Dann sah Larkyen endlich den einzigen Berg weit und breit aufragen. Er hatte das Ziel seiner u n freiwilligen Reise erreicht.
    Der Hexenberg war nicht sonderlich hoch, sein Gestein war von ü p pigen Basaltprismen durchzogen, so als hätten sich die Naturgewa l ten als Künstler versucht. Inmitten von Nischen und Löchern tu m melten sich kleine Spinnen.
    „Komm näher“, hörte Larkyen eine krächzende Fraue n stimme rufen. „Ich weiß dass du da bist!“
    Er folgte dem Klang der Stimme und fand den Eingang zu einer Höhle, die vollständig mit Spinnweben ausgekleidet war. Durch Spalten im Gestein drangen immer wieder Lichtkegel in das Innere des Berges.
    „Komm näher“, lockte die Stimme noch einmal.
    Larkyen ließ Vorsicht walten und bewegte sich nur langsam voran. Vor dem Schein eines kleinen Feuers zeichneten sich die Silhouetten weiterer Spinnen ab, nicht weit hinter ihnen stand eine alte Frau. Die Spinnen waren für sie keine Gefahr, sie schien sogar mit ihnen z u sammenzuleben. Noch nie zuvor hatte Larkyen einen Mensch ges e hen, der bereits so lange Zeit der Sterblichkeit zu trotzen schien. Die Frau ging stark gebeugt auf ihn zu, ihre Haut war dermaßen von Fa l ten durchsetzt, dass sie den Anschein erweckte, von ihren Knochen zu fließen wie heißes Wachs von einer Kerze. Ihre schlohweißen Haare, die bis zu den Knien herabreichten, hätten aus Spinnweben sein können.
    „Komm näher“, sagte sie. „Komm näher, damit ich dich e r ke n nen kann.“
    Ihre trüben Augen weiteten sich, ihre Mundwinkel formten sich zu einem schmalen Lächeln.
    „Bist du es?“ Sie lachte. Bist du endlich zu mir zurückg e kehrt?“
    „Für wen hältst du mich, alte Frau?“
    „Nein“, flüsterte sie enttäuscht, „nein, du bist es nicht. Wah r lich, ein Unsterblicher bist du, ich erkenne es an deinen Augen, doch du bist nicht er, du bist nicht Tarynaar.“
    „Tarynaar?“
    „Ja“, seufzte sie. „Einst als ich noch jung und schön war, da kannte ich ihn gut. Er war mein Gemahl über eine lange Zeit. Ein schlimmes Schicksal trieb uns auseinander und ließ uns g e trennte Wege gehen.“
    „Der Krieg der Kentaren“, seufzte Larkyen.
    „Der Krieg unseres Sohnes!“
    „Dann bist du Wulfgars Mutter.“
    „So ist es." Ihre Stimme war von tiefem Bedauern erfüllt, drohte fast in einem Schluchzen zu ersticken. „Ich bin die Mu t ter jenes Königs, der die

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