Totenklage
gewollt.«
Sie bekam feuchte Augen, wandte sich ab und wischte die Tränen mit dem Handrücken weg. »Gott, ich hoffe, dass er nicht mehr gelebt hat. Ich hoffe, er war tot, als sie ihn verbrannt haben.«
»Das war er sicher«, sagte Barber. »Ganz bestimmt. Du musst daran glauben, Maddy.« Nach kurzem Schweigen fügte er hinzu: »Red mit Winter.«
Jake war auf dem Highway kurz vor Amelia Court House, als Goodman zurückrief. »Wo sind Sie?«, fragte er.
»Bei Amelia Court House, auf dem Weg nach Richmond.«
»Ich habe mit Bill Danzig gesprochen. Jetzt muss ich mit Ihnen reden«, sagte Goodman.
»Sind Sie im Büro?«
»Ich bin in meiner Wohnung. Als Sie in meinem Büro waren, sind Sie da vom Capitol aus gekommen? Über einen gepflasterten Gehweg?«
»Ja.«
»Der Wohnsitz ist etwa fünfundsiebzig Meter davon entfernt. Ein gelbes Haus mit weißen Säulen. Das Tor liegt direkt gegenüber dem Hintereingang des Patrick Henry Building. Gleich davor sehen Sie ein Wachhäuschen. Ich setze Sie auf die Liste.«
Viel schneller als am Morgen fand Jake einen Parkplatz. Er konnte auf der Parkuhr nicht genau erkennen, ob er etwas bezahlen musste, warf mehrere 25-Cent-Stücke ein und ging auf seinen Stock gestützt in der zunehmenden Dunkelheit den menschenleeren Weg entlang. Der Wohnsitz des Gouverneurs war ein zweistöckiges, gelb gestrichenes Haus; vier weiße Säulen erhoben sich über den Eingangsstufen. Das Gebäude war kleiner, als er erwartet hatte. Auf dem Parkplatz vor dem Haus stand ein schlichter Lotusbrunnen.
Am bewachten Eingangstor redete ein uniformierter Wächter mit einem zweiten Mann. Dieser trug einen schwarzen Regenmantel, ein schwarzes Hemd, schwarze Hose und schwarze Leinenturnschuhe. Auf dem Kopf hatte er eine khakifarbene Tenniskappe. Er war extrem dünn, und sein Gesicht war zu stark zerfurcht für sein Alter. Wahrscheinlich war er nicht viel älter als Jake. Mit seiner langen Nase und der schwarzen Kleidung erinnerte er an eine Krähe. Er sah Jake kommen, musterte ihn einen Augenblick, dann ging er in das Wachhäuschen und machte sich dort an einem Monitor zu schaffen.
»Jake Winter«, sagte der Wachposten. Es war keine Frage.
»Ja.«
»Ich bring Sie rein«, sagte er. Er ließ einen Riegel an dem Stahltor zuschnappen und führte Jake über den Parkplatz, die Treppe hinauf und durch eine Doppeltür.
Drinnen wirkte der Wohnsitz des Gouverneurs größer als von außen. An der Decke hing ein mit Rutenbündeln verzierter Kronleuchter. Ein langer Flur führte zu mehreren gro ßen öffentlichen Räumen. Ein Bildnis von Königin Elisabeth I. blickte sie von einer Wand aus an. Der Wächter deutete nach links: »Hier hinein.«
Ein Salon. Goines stand direkt neben der Tür, gegen den Türpfosten gelehnt. Drei weitere Männer, von denen Jake niemanden kannte, saßen auf zwei langen Ledersofas in einem Konferenzbereich; ihre Aktenkoffer standen neben ihnen auf dem Boden. Auf dem Couchtisch vor ihnen lagen mehrere Notizblocks, außerdem standen dort zwei Kaffeetassen, zwei Flaschen Bier sowie eine wie ein Ahornblatt geformte Silberschüssel mit Erdnüssen und M&Ms. Ein Mann hatte die Füße auf den Tisch gelegt; ein anderer hatte die Schuhe ausgezogen. Er trug dunkelbraune Strümpfe. In der Luft lag ein Hauch von Zigarrenqualm. George Washington blickte von einem Bildnis auf die Szene herab.
Im Zimmer roch es förmlich nach Vetternwirtschaft. Das war der innere Kreis, keine Frage. Und Goodman war der Vorsitzende. Er saß in einem riesigen Ledersessel am Kopfende des Tisches zwischen den beiden Sofas.
»Jake«, sagte Goodman. Er stand auf und deutete auf einen kleineren und niedrigeren Ledersessel am Fußende des Tisches. Nachdem Jake sich gesetzt hatte, zeigte Goodman mit seiner verkrüppelten Hand auf die einzelnen Anwesenden und sagte: »Ralph kennen Sie ja schon, und das sind John Patricia, Handy Rice und Troy Robertson. Leute, Mr. Winter gehörte einer Spezialeinheit an und wurde in Afghanistan zusammengeschossen.«
»Sie sehen eher nach einem Bürokraten aus«, sagte Robertson.
Jake zuckte die Achseln. »Ich sitze in einem Büro und bin nicht in Form. Ich würde ungefähr« – er musterte Robertson demonstrativ – »sieben bis acht Sekunden brauchen, um Ihnen das Genick zu brechen.«
Die Mitglieder des Stabs lachten, und Goodman lächelte auf ihn herab. »Brechen Sie lieber das von Goines«, sagte Robertson, »der geht mir langsam auf den Sack.«
»Möchten Sie ein Bier?«, fragte
Weitere Kostenlose Bücher