Totenklage
Rückens aus dem Dienst ausscheidet, nimmt man normalerweise an, dass ihm der Beruf über die Jahre zu stark zugesetzt hat und die frühzeitige Pensionierung eine verlockende Alternative darstellte. Das Paracetamol allerdings scheint auf tatsächliche Schmerzen hinzudeuten.
Ich schildere ihm kurz den derzeitigen Stand der Ermittlungen, die nach meinen Treffen mit dem CPS und der Rechnungsstelle so gut wie abgeschlossen sind, und sage ihm, wann in etwa der Prozess stattfinden wird.
Er antwortet mit einer Frage.
» Wie alt sind Sie?«
Ich zögere, um ihm zu demonstrieren, dass ich aus freien Stücken antworte und nicht, weil ich auf sein blödes Psychospielchen hereingefallen bin.
» Sechsundzwanzig.«
» Sie sehen jünger aus. Fast wie ein Baby.«
» Ich hab eine tolle Hautcreme.«
» Für wen arbeiten Sie?« Da ich nicht sofort antworte, stellt er Vermutungen an. » Wahrscheinlich für Gethin Matthews. Oder Cerys Howell, hab ich recht?«
» Matthews.«
Er akzeptiert das mit einem leichten Grunzen, und schon hat er ein bisschen von seiner Autorität geopfert. Nun weiß er, dass ich die richtigen Antworten parat habe und dass die kleine DC Griffiths im Auftrag des mürrischen alten DCI Matthews hier ist. Ein erster kleiner Sieg für mich. Das scheint er auch so zu sehen, denn er verfällt wieder in Schweigen. Zum ersten Mal nehme ich das leicht asthmatische Pfeifen in seinem Atem wahr, das auch auf den Tonbändern zu hören ist.
Ich unterbreche die Pause nicht. Es ist jetzt meine Pause, und deshalb werde ich sie so lange wie möglich auskosten. Irgendwann breche ich das Schweigen dann doch: » Passen Sie auf. Wir sind beide Polizisten, also wissen wir beide, wie’s läuft. Sie haben Geld unterschlagen. Wir haben es rausgefunden. Sie gehen ins Gefängnis. Die Frage ist nur, für wie lange? Das ist das Einzige, auf das Sie hier noch Einfluss haben. Je mehr Sie sich weigern, mit uns zusammenzuarbeiten, desto länger fahren Sie ein. Das wissen wir auch beide. Ihr Leben ist so oder so im Arsch, aber noch können Sie entscheiden, wie sehr es im Arsch ist. Angefangen von einigermaßen bis hin zu ganz gewaltig. Von gewöhnlichen Verbrechern kann man nicht viel erwarten. Sie sind nicht kooperativ, weil sie nicht rational handeln oder uns nicht leiden können oder was weiß ich. Bei Ihnen ist das anders. Sie sind ein Profi, daher stellen Sie sich erst mal stur. Aber die Tatsache, dass Sie so beharrlich schweigen, macht mich neugierig. Und wenn Sie wissen wollen, was genau mich so neugierig macht, kann ich Ihnen das gerne sagen.«
Die Stille im Raum ist mittlerweile so frostig, dass es wahrscheinlich knackt, wenn man sie durchbricht. Penry kann nicht zugeben, dass ihn interessiert, was ich zu sagen habe, da das nicht bei seinem verdammten kleinen Machtspielchen vorgesehen ist. Auf der anderen Seite muss er irgendetwas sagen, wenn er will, dass ich ihm etwas sage. Wieder lasse ich die Stille für mich arbeiten.
» Frage Nummer eins: Woher hatten Sie das Geld? Klar, einen Teil haben Sie der Schule gestohlen. Aber Sie haben mehr ausgegeben, als Sie dort unterschlagen haben. Sie und Ihr Kumpel Brian ap Penri.
Wenn ich wild drauflosraten müsste, würde ich sagen, dass Ihnen Brendan Rattigan das Geld gegeben hat. Was uns zu Frage Nummer zwei bringt: Welche Dienste haben Sie ihm im Gegenzug erwiesen? Soweit ich weiß, sind Multimillionäre nicht gerade dafür bekannt, ihr Geld einfach so zu verschenken.
Und Frage Nummer drei lautet: Was wissen Sie über das hier?«
Ich ziehe die Plastiktüte mit Rattigans Kreditkarte aus meiner Tasche. Penry nimmt sie in die Hand, starrt sie an und gibt sie mir zurück. Jetzt tut er nicht mal mehr so, als würde ihn das Ganze nichts angehen. Seine braunen Augen leuchten mit einer Komplexität, die gerade eben noch nicht da war.
» Vielleicht interessiert es Sie, wo wir die gefunden haben. In der Allison Street Nr. 86. Bei den Leichen einer jungen Frau und ihrer Tochter. Die Tochter wurde ermordet. Die Mutter möglicherweise auch, das lässt sich noch nicht mit Sicherheit sagen.
Nun verstehen Sie sicher, warum ich so neugierig bin. Wären es nur die Kreditkarte und die Tatsache, dass Sie mit deren Besitzer ein Interesse an Rennpferden teilen, würde ich das Ganze als Zufall verbuchen. Etwas, das man irgendwann mal untersuchen könnte, aber nicht wichtig genug, dass Gethin Matthews dafür groß Ressourcen verplempert. Mir scheint, dass schon Ihr Schweigen allein reicht, um Sie
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