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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Bingham
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irgendwie mit dem Tatort in Verbindung zu bringen, oder liege ich da falsch? Jeder vernünftige Ex-Cop in Ihrer Situation würde mit allen Mitteln versuchen, seine Haftstrafe zu drücken. Aber Sie kooperieren überhaupt nicht. Und je länger Sie schweigen, desto stärker wird unsere Vermutung, dass wir das Ganze mal genauer untersuchen sollten. Wodurch sich ein gar nicht so außergewöhnlicher Fall von Unterschlagung in etwas sehr viel Interessanteres verwandeln könnte. Etwas, das nur ein, zwei Schritte von einem Mord entfernt ist.«
    Dann schweige ich wieder. Penry auch. Bisher war mein Besuch nicht gerade sehr fruchtbar, aber manche Früchte müssen ja ein bisschen nachreifen.
    Ich stehe auf und nehme den DIE POLIZEI BITTET UM IHRE MITHILFE -Zettel aus der Tasche, der überall in Butetown und auch in Faridehs Kiosk hängt. Ich lasse ihn auf den Beistelltisch fallen, doch er rutscht herunter und segelt auf den Boden. Weder Penry noch ich machen Anstalten, ihn aufzuheben.
    » Das ist die ermordete Frau. Und ihr ermordetes Kind. Und die Nummer, die Sie anrufen müssen, wenn Sie Informationen haben.«
    Ich lasse meine Tasche zuschnappen und gehe zur Vordertür. Penry bleibt sitzen. » Übrigens, Ihr Haus ist ein richtiges Scheißloch«, rufe ich ins Wohnzimmer. » Und Sie sollten wegen Ihres Asthmas mal zum Arzt gehen.«
    Auf der viel zu hellen Straße ziehe ich Bilanz. Penry beobachtet mich dabei möglicherweise vom Wohnzimmer aus, aber das ist mir egal.
    Der Toyota Yaris ist dunkelblau. Über dem rechten Radkasten ist ein Rostfleck, und der ganze Wagen könnte mal wieder gewaschen werden. Wer in aller Welt besitzt teure Anteile an mehreren Rennpferden und fährt ein Auto, das nicht gerade ein Schrotthaufen, allerdings auch nicht unbedingt schön anzusehen ist? Auf den einzigen CD s, die mir in Penrys Haus aufgefallen sind, waren moderne Rockmusik und ein paar Klassikradio-Compilations. Mit diesem Musikgeschmack kann man sich unter Umständen ein Klavier kaufen, muss man aber nicht. Penry hat sich eins gekauft. Ein Klavier, einen Wintergarten und ein mit orangefarbenem Schleim gefülltes Spülbecken.
    Ich sehe zum Wohnzimmer hinüber. Penry steht am Fenster und beobachtet mich eingehend. Ich lächle, winke fröhlich und gehe zu meinem Wagen hinüber.
    Auf dem Weg zum Büro meldet mein Handy mit einem Piepen den Empfang einer SMS .
    Als polizeilich extrem gut ausgebildete Fahrerin bin ich in der Lage, gleichzeitig die SMS zu lesen und den Wagen zu lenken, ohne die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer zu gefährden. Vielleicht bin ich aber auch nur eine egoistische Idiotin. Die SMS ist ziemlich interessant. JAN IS NICH TOT IHR LÜGNER WENN DOCH DANN HAT SE MEHR GLÜCK ALS ANDERE . Erst denke ich, dass mir ein Kollege einen Streich spielen will, dann fällt mir ein, dass es eine Antwort auf die Anzeige im Kioskfenster sein könnte.
    Ich halte mitten auf der Cowbridge Road am Seitenstreifen an. Dann schreibe ich zurück: WAS IST DANN MIT IHR PASSIERT ?
    Ich warte. Ich stehe vor einer Imbissbude. Eine junge, übergewichtige Mutter verlässt mit ihren zwei übergewichtigen Kindern die Bude. Eines der Kinder, ein Junge mit einem roten Mondgesicht, isst Pommes aus einer Tüte, die er außer Reichweite seines Bruders hält. Mit fester Entschlossenheit stopft er sich eine Fritte nach der anderen in den Mund.
    Übergewicht. Gewalt. Drogen. Prostitution. Es gibt Millionen von Möglichkeiten, sich das Leben zu versauen. Brian Penry hat sich für Unterschlagung als seinen persönlichen Weg in den Abgrund entschieden. Wie kam es dazu? Was führte zu dem schäbigen Toyota Yaris und dem kostspieligen leeren Wintergarten?
    Dann, als ich schon gar nicht mehr mit einer Antwort rechne, erhalte ich eine SMS . REICHE LEUDE HAM KEIN ÄRGER MIT DER POLIZEI SIN IMMER NUR LEUDE WIE JAN .
    Man kann diese SMS auf zwei Arten interpretieren. Einmal so, wie sie meine Kollegen wohl interpretieren würden. Als die Nachricht eines Verrückten ohne jeden substanziellen Wert. Sogar weniger, wenn man bedenkt, dass die Behauptung in der ersten SMS offensichtlich falsch ist. Meine Kollegen würden mich auch sanft darauf hinweisen, dass es einen Grund gibt, warum wir die Nummer der offiziellen Hotline und nicht unsere privaten Handynummern herausgeben.
    Aber es gibt noch eine weitere Interpretationsmöglichkeit. Zum einen ist es wahrscheinlich, dass diejenigen, die wissen, was mit Janet Mancini geschehen ist, selbst bildungsferne drogenabhängige

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