Totenklang
ich augenblicklich, ich wäre draußen geblieben. Just nach Eintreten springt mir eine Katze von irgendwo schräg oben kreischend ins Gesicht, verheddert sich mit ihren Krallen in meinen Haaren und bleibt hängen, versucht, mir ihre Zähne in den Nasenrücken zu schlagen, was ich zu verhindern weiß. Es gelingt mir, das nach Katzenpisse riechende Bündel aus dem Gesicht zu wischen, wobei sie auf meiner schmerzenden Schulter nach Halt sucht, was mein hektisches Zappeln verhindert. Ich buckle mich wie ein Wildpferd und kann sie abschütteln. Plärrend rennt das Vieh aus der Tür hinaus in den Kellerflur. Nach dem gewaltigen Schreck sehe ich mich nur noch hastig im Raum um, um sicherzugehen, dass hier nicht noch größere Ungeheuer lauern. Sieht aus wie ein wahrlich sehr privater Folterkeller. Ach du Schande, das will ich doch gar nicht wissen. Soll doch jeder, wie er mag, nur wissen muss ich es nicht. Der kurze Blick in die Stube hat mir schon gereicht, um eine Vorstellung von dem zu bekommen, wofür sie eingerichtet ist. Ein Skelett scheint aus der einen Kammerecke den Treibenden auf dem kargen Bett zuzulächeln. Was, zum Henker, will man in dem Zusammenhang bloß mit einer Katze?
Elle, Speiche, Schlüsselbein. Dieses Gebein-Modell hat sie noch alle, auf den ersten, schnellen Blick jedenfalls. Nichts wie raus hier. Einerseits fühle ich mich ein wenig unwohl und gleichzeitig belustigt. Nä, nä, nä, Sachen gibt’s, nein, Kalle, hier wird niemand gefangen gehalten, hier gibt es nichts zu tun für einen Kinderdetektiv. Du meinst, wir sollten die Katze wieder einfangen? Nein, danke, die kann mir jetzt so was von gestohlen bleiben.
Die Lust darauf, den Kicker zu finden, an dem wir früher mit schweißnassen Händen über viele Stunden ganze Turniere ausgetragen haben, ist mir vergällt, ich habe hier unten nichts zu suchen. Na gut, den einen Raum noch, sage ich mir und öffne die nächste Tür, und tatsächlich finden sich hinter ihr die Reliquien jugendlichen Spaßes. Kicker wie auch Billardtisch scheinen mir unter einer dicken Schicht Staub darauf zu warten, wieder gebraucht zu werden.
Von draußen höre ich ein Auto heranfahren und daher beschließe ich, mich schnell wieder nach oben zu begeben. Komisch, dass ich mich jetzt wie ertappt fühle, wobei ich doch gar nichts zu verbergen habe.
Dabei fällt mir ein, dass meine Privatsphäre gerade spurensicherungstechnisch bearbeitet wird. Der Gedanke verursacht mir Magengrummeln. Im spiegelnden Schrankglas hinter der Theke erkenne ich einen zerzausten Typen. Die Katze hat meine Frisur durcheinandergebracht. Schnell richte ich mir den Zopf. Auf dem Kopf herrscht wieder Ordnung, in den Eingeweiden gurgelt es hörbar.
Giacomo ist mit einem Lieferwagen gekommen und hält mir eine Tüte Lakritz hin. Schnecken.
»Danke«, sage ich und nehme mir eine. Auf der Pritsche des Wagens, der augenscheinlich einem Dachdecker gehört, finden sich diverse Rohre, Bretter, Säcke mit Sand, Zement, Putz und drei Spülkästen. Daneben ist ein Beutel mit Kleinkram abzuladen. Ein Blick hinein bestätigt die Vermutung: Schrauben, Dübel, Nägel, Dichtungen. Gut und billig, formuliert meine jüngste Erinnerung dazu. Hoffentlich nicht geklaut, unkt böswillig der Advokat.
Ich mache mich daran, den Wasserhahn zu reparieren, da hallt wie ein Donner Harrys Stimme durch den Raum:
»Wer hat Hektor rausgelassen?«
Giacomo kommt aus dem Keller hochgelaufen und sagt:
»Tür war offen. Habe noch nicht repariert. Soll er erst die …?«
»Nein, soll er nicht«, sagt Harry jetzt gezwungen und um einige Phon leiser.
Meinen fragenden Blick interpretiert Giacomo richtig. Während er sich aus der Kiste neben mir einen Hobel greift und einige Unterlegscheiben angelt, raunt er:
»Seine Katze«, es folgt eine kleine Pause mit einem schmalen Grinsen:
»Kenne ich gutes Rezept.«
Nachdem Kellertüren, Schranktüren und Wasserhähne wieder anstandslos funktionieren, knöpfen Giacomo und ich uns die Wasserkästen der Damentoiletten vor. Die Teile hat sich seit dem Einbau, vielleicht sind die noch original aus dem Empire, installiert vor 80 Jahren, kein Aas mehr angeguckt. Das ist wahrlich nichts für Leute mit einem schwachen Magen, mehr ein Fest für Bakteriologen. Wir entscheiden uns für die Vorschlaghammermethode, denn die Kästen sind eine fossile Verbindung mit dem Mauerwerk eingegangen. Kennen Sie das, wenn Sie mal eben eine Kleinigkeit erledigen wollen, einen überschaubaren Job, dann
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