Totenklang
zieht bisweilen eine Panne die nächste nach sich und Sie verfluchen den Moment, in dem Sie entschieden haben, die Kleinigkeit anzugehen. Nach fünfzehn Minuten sind die Spülkästen raus, aber mit ihnen auch ein Gutteil der Wand. Ebenso treten leckgeschlagene Bleirohre aus dem Mauerwerk hervor. Schweißnass und angeekelt stehen wir vor der Bescherung, blicken uns an und ich hoffe drauf, dass Giacomo irgendwen kennt, der das gut und billig erledigen kann. Geräuschvoll schnaubt sich mein Kollege den staubigen Rotz aus der Nase und wischt sich die Hand an der Hose ab.
»Brauch ich Mischmaschine«, ist alles, was er zu dem Dilemma zu sagen hat, daraufhin verlässt er das Damenklo.
Mein interner Buchhalter rechnet hoch, dass hier noch ein wenig mehr Arbeit und Lohn für mich drin sind als die angepeilten zwölf Stunden, während ich den Schutt in Säcke schippe. Doch für heute ist Schluss, erfahre ich einige Minuten später. Giacomo scheint sich mit Harry, von dem am Nachmittag rein gar nichts zu hören oder zu sehen gewesen war, besprochen zu haben. Er drückt mir zwei Zwanziger in die Hand und sagt, ich solle morgen gegen 4 Uhr wiederkommen.
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Schmutzig, hungrig und geschafft falle ich hinters Lenkrad des Leichenwagens. Der Sitz ist weich und durchgesessen. Ich versinke quasi in Marilyns Schoß. Auf dem Weg zu einer heißen Dusche, einer sättigenden Mahlzeit und einem einsamen Bett versuche ich noch einige Töne auf der Harp, aber ich pfeife auf dem letzten Loch. Wenn da mal nicht noch Asbest mit in der Wand war oder anderer giftiger Feinstaub, hustet der kleine Öko in mir.
Zwischen Burbach und Kalteiche empfängt mein Radio die Regionalnachrichten. Eine kuriose Meldung lässt mich aufhorchen. Aus einer großen Siegener Klinik seien Abfälle der Kategorie C verschwunden. Die als Sondermüll von einer Spezialfirma abzutransportierenden Boxen und Säcke hätten nach den ersten Ermittlungen keine menschlich organischen Abfälle beinhaltet, sondern lediglich Wäschesäcke, die sich gar nicht in den Behältern hätten befinden dürfen. Aufgefallen sei dies aufgrund eines Unfalls durch Nebel auf der Eremitage in den frühen Morgenstunden, in den der Fahrer einer Wäscherei verwickelt wurde, wobei sich dessen Transporter mehrfach überschlagen und sich seine Ladung in den Wald verteilt habe. Nach Zeugenaussagen habe ein Bäckerwagen, der aus der Klostereinfahrt gekommen sei, den nahenden Wäschereitransporter offensichtlich nicht gesehen, habe die Spur überquert und in Fahrtrichtung Gilsbach sei ihm der schnell herannahende Transporter seitlich hinten aufgefahren, was beide Fahrzeuge von der Fahrbahn abgebracht hätte. Neben Brot, Brötchen und Kuchen des Bäckers habe die Ladung des Wäschereitransporters nicht Krankenhauswäsche enthalten, sondern Abfälle der Kategorie B, wie Operationsbestecke, Mullbinden, Stuhlwindeln, Gipsverbände. Darunter eben auch infektiöse Abfallprodukte, die entsorgt und verbrannt werden müssten. Da sich im Wäschetransporter offensichtlich keine solche befand, sie aber auch nicht in der Klinik verblieben ist, habe man den Müll überprüft, der am gleichen Morgen einem Entsorgungsbetrieb übergeben wurde, der sich unter anderem auf Krankenhausabfälle der Kategorie C spezialisiert habe, worunter sich Abfälle befinden, die unter das Bundesseuchengesetz fallen, Körper- und Organteile, Versuchstiere und deren Exkremente sowie auch Müll aus mikrobiologischen Labors. Solche Materialien müssten verbrannt oder thermisch desinfiziert und anschließend auf einer Deponie gelagert werden. Unter entsprechenden Schutzmaßnahmen habe man im Entsorgungsbetrieb die blauen Tonnen geöffnet und dort auch die Wickelsäcke mit der Wäsche vorgefunden, die da ja nicht hingehörten. Daneben seien, wie auf einer Liste vermerkt, einige Abfälle der Kategorie C gefunden worden, aber etliche Teile hätten gefehlt.
Auf der Wasserscheide ist mein Radioempfang gestört und ich höre nur noch Fragmente des Berichts und reime mir die fehlenden Stücke zusammen.
Aus ermittlungstechnischen Gründen war von der Kriminalpolizei nicht zu erfahren, um welche fehlenden Körper- und Organteile es sich auf der Eremitage handeln könnte. Im Moment seien Hunde im Waldgebiet im Einsatz, die die komplette Ladung des Unglücksfahrzeuges aufspüren sollen, um auszuschließen, dass spielende Kinder eventuell doch auf menschliches Material oder infektiöse Spritzen und Infusionsnadeln stießen. Brote, Brötchen, entnommene
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